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[86] Jon singt zur Leier.
Strophe.
Du hochragendes Haupt des Lorbeers,
Zeus himmlischem Blitze nie verwundbar,
Noch wildstürmenden Wintern
Je hinstreuend den grünen Schmuck!
Gesangliebenden Schatten beut mir
Kühl wehend, damit ich
Der viersaitigen Leier Wohllaut
Anstimme dem Widerhall,
Daß auf melodischen Wellen die Seele mir,
Aus banger Zweifel Wirbeln,
Sanft hingleitend im Hafen ausruhe, wo
Die geliebten Wünsche wohnen,
Wo Zutrauen den Anker auswirft.
Gegenstrophe.
Dein lichtstrahlendes Götterantlitz,
O du, der im reinsten Taue badet
Die goldlockige Scheitel
Am Felsborne Kastalias,
Apoll! dürft ich es schaun nur einmal;
Anredens gewürdigt
Mich hinwerfen zu deinen Füßen,
Inbrünstiger Liebe voll!
Was die olympischen Säle verherrlichet,
Der sel'gen Inseln Wonne,
Schwellt nie sehnend den Busen an, nie mit Neid[86]
Ganymedes ew'ge Becher,
Dem inwohnet dein hohes Bildnis.
Nachsatz.
Wer darf göttliche Tat
Richten nach Schein? Warte das End' ab.
Oft bricht Sonn' aus Gewölk. Zügeln den Mund lehrt,
Wie der Niobe Söhnen,
Zornblickend, todsendend, du erschienest.
Mir offenbare milder dich,
Wie wenn du huldreich der Musen Chor führst.
Rings her leuchte der Hain, bebe der Talgrund,
Beflügelt weh' auch des Tempels Tor auf,
Ahndungsvoll wie beseelt schwanke der Baum hier
Bei der gewaltigen Götternäh:
Nicht soll zagen mein junges Herz,
Dir frohlockend entgegen.