[250] Wohl mancher leuchtende Frühling grünte,
Und mancher Sturmwind hat getobt,
Seit jugendlich sich der Muth erkühnte,
Und wir den hohen Bund gelobt;
Es brach die Welt sich wandelnd, schwankte,
Daß irrend alles abwärts wankte,
Doch unsre Freundschaft blieb erprobt.
[250]
Es rührt erquickend die Liebesfreude
In Sturm des Lebens an die Brust,
Ja hier ist vor des Geschickes Neide
Die schönste Freistaat uns bewußt.
Nur ist das holde Glück vergänglich,
Die ird'sche Blüthe zart und kränklich,
Ein Hauch ertödtet ihre Lust.
So wandelt alles, was blüh't und schwindet,
Nur Eines steh't unwandelbar.
Wie sich die brausende Woge windet,
Der Himmel wölbt sich fest und klar;
So strahlt in uns die starke Treue,
Frei von Begier und frei von Reue,
Durch allen Wandel hell und wahr.
Laß' Wellen denn über Wellen fliehen,
Wir haben's höher wohl gemeint;
Laß' wilder den Sturm zusammenziehen,
Wir bleiben eines Ziels vereint.
Wenn wir den Muth nicht sinken laßen,
So dürfen wir den Glauben faßen,
Daß noch ein heller Stern uns scheint.
So wie zwei Kämpfer, die heimlich steigen
Zur Nacht die Felsenkluft empor,
Den Waffenbrüdern den Weg zu zeigen,
Und zu erspäh'n das stille Thor;
Wenn sie dann endlich durchgedrungen,
Des Sieges Fahne hoch geschwungen,
Da strahlt die Sonne licht hervor;
[251]
So wandelten wir dem Ziel entgegen
Wohl einsam auf dem steilen Pfad;
Nun laß' sich freudig den Muth bewegen
Und herrlich blüh'n die volle Saat.
Der Schätze sind noch viel verborgen,
Wie sollten wir noch ängstlich sorgen,
Da der Erfüllung Stunde nah't.
Wie sollte der Unmuth sich dein bemeistern
Ob eitler Knaben schnödem Spiel,
Ob einer auch von den beßern Geistern
In Knechtes Wahn erniedert fiel!
Laß' unverzagt uns vorwärts schreiten!
Dir schlummern in den goldnen Saiten
Noch unbekannter Kräfte viel.
So wie der Gießbach über die Klippen
Mit wildem Strom zur Tiefe flieh't,
So braust begeistert mir von den Lippen
Ein ungeregelt Heldenlied;
Weil dir der Dichtkunst Füll' entfaltet,
Dem Auge rein und klar gestaltet,
Die Seelen magisch an sich zieh't.
Laß nicht die Schwermuth den Geist bezwingen,
Weil noch der Himmel donnernd droh't;
Auf sah man herrlicher stets sich schwingen
Den deutschen Geist aus Sturmesnoth:
Wie nach des Blitzes Flammenschlägen
Der Erd' entquillt der vollste Segen,
Ein neuer Frühling aus dem Tod.
[252]
Laß' denn hervor die Thaten wallen
Der alten und der neuen Zeit,
Und frei den vollen Gesang erschallen
Zu unsers Volkes Ruhm geweiht!
Die Vorwelt sei der Zukunft Spiegel,
Die Zeit empfängt in diesem Siegel
Die Weihe der Unsterblichkeit.
Ein jedes freue sich seiner Stelle,
Der Zeiten Streit verwirrt uns nicht;
Ein jeder labe sich an der Quelle
Und hell sei jedes Angesicht.
Dort, wo sich alle Zweifel lösen,
Trennt sich das Gute von dem Bösen
In ewig heiterm klaren Licht.
Friedrich Schlegel.
Buchempfehlung
Beate Heinold lebt seit dem Tode ihres Mannes allein mit ihrem Sohn Hugo in einer Villa am See und versucht, ihn vor möglichen erotischen Abenteuern abzuschirmen. Indes gibt sie selbst dem Werben des jungen Fritz, einem Schulfreund von Hugo, nach und verliert sich zwischen erotischen Wunschvorstellungen, Schuld- und Schamgefühlen.
64 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro