Entsagung und Treue

[18] Die Jugend flieht, die Hoffnung ist zerronnen,

Des Lebens Blüthen fallen welkend ab,

Und unerreichbar fern sind meine Wonnen,

Und stumm und einsam bin ich wie ein Grab.

Im ganzen weiten Reich der Wesen

Hast du allein die Zaubermacht,

Mich von dem Gram zu lösen,

Der jeden Trost verlacht.


Und ach! ich muß vor deinem Willen schweigen;

Was er verhängt, wird hoch von mir geehrt.

Was hülf' es auch zu reden? Ihn zu beugen?

So kühner Wahn hat nimmer mich bethört.

Du kennst das höchste Ziel des Lebens,

Und zeichnest deine Bahn dir vor.

Mein Flehen schlug vergebens

Voll Inbrunst an dein Ohr.


Zwar giengest du nicht taub vor mir vorüber,

Du bist ein Weib, und Weichheit ist dein Stolz.

Mein Busen bebte mir in jeder Fiber,

Als nun dein Blick um mich in Thränen schmolz.[19]

Den süßen Thau der holden Augen

Verschlang mein Herz, wie dürres Land.

Weh mir! ihn einzusaugen,

Das nährte nur den Brand.


Ich kämpfte mich empor und wollte flüchten;

Ich stieß die dargebotne Hand zurück.

»O zürne mir, sonst wirst du mich vernichten,

Mich peinigt dieser göttlich milde Blick.

War's Frevel, daß ich so entglühte?

O du bist edel! gieb mich los!

Laß ab mit deiner Güte!

Wo nicht: sei minder groß!«


So rief ich aus. Was half mein Widerstreben?

Ich fühlte mich von unsichtbarer Kraft,

Vom Schicksal selbst in deine Hand gegeben,

Die, was sie will, aus meinem Wesen schafft.

Ich klage nicht; ich will es tragen.

Dank dir! Mich adelt dieses Leid.

Gestählt durch mein Entsagen

Besteh' ich jeden Streit.


Der Jugend Flur voll heller Gaukelscenen,

Der Wünsch' und Träume lächelndes Revier,

Wohin ich sonst mit hoffnungsvollem Sehnen

Mich oft verirrt, liegt öde hinter mir.

Gleichgültig steh' ich im Getümmel,

Das nach Genuß sich drängt; für mich

Wär' auch der Sel'gen Himmel

Ein Chaos ohne dich.
[20]

Das Glück ist arm; ich spotte seiner Gaben;

In mir ist mehr, als es mir bieten kann.

Ich habe das, und werd' es ewig haben,

Was ich von dir durch heiße Qual gewann.

Dein Bild hab' ich dir abgedrungen,

Und innig in mein Selbst verwebt,

Mit Liebeskraft umschlungen,

Durch Liebeskraft belebt.


Mir hallen in der Seele tiefsten Tiefen

Die Melodieen deiner Worte nach;

Da werden tausend Kräfte, welche schliefen,

Bei dem geheimnißvollen Rufe wach.

Erschaffen wird in mir ein Wille,

Zu hohen Thaten stark und frei,

Und deiner Tugend Fülle

Gebiert mein Innres neu.


Ich kann's nicht bergen, nicht mein Herz belügen,

Und träfe mich auch dein gerechter Spott;

Dich zu erreichen, dich zu überfliegen,

In dem Gedanken schwärm' ich mich zum Gott.

Du kannst nicht diesen Trotz verdammen,

Und siegt' ich auch, dein wär' der Ruhm:

Ich stahl ja diese Flammen

Aus deinem Heiligthum.


Doch sollt' ich nie es feßeln und umschlingen,

Das überirdisch lockende Phantom;

Wär' ich verdammt, umsonst dir nachzuringen,

Gewirbelt von des Wankelmuthes Strom:[21]

So möcht ich meinen Geist verhauchen,

Den Haßer dieses Sonnenlichts,

Und mich hinunter tauchen

In's öde kalte Nichts.

Quelle:
August Wilhelm von Schlegel: Sämtliche Werke Band 1, Leipzig 1846, S. 18-22.
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