Pygmalion

[37] In qual parte del ciel', in quale idea

Era l'esempio, onde natura tolse

Quel bel viso leggiadro, in ch'ella volse

Mostrar quaggiù, quando lassù potea.

Petrarca.


Festlich duften Cypriens Altäre,

Von Gesang ertönet Paphos Hain.

Schön geordnet ziehn geschmückte Chöre

In den myrtumkränzten Tempel ein.

Rosig blüh'nde Mädchen, zarte Knaben;

Alle bringen sie Gelübd' und Gaben,

All' erflehn, Verlangen in der Brust,

Liebe, Reiz und Jugendlust.


Wollust athmet aus den Rosenlauben,

Wo sich willig manches Paar verirrt,

Wo ein Paar von buhlerischen Tauben

Ihrer Ankunft süß entgegen girrt.

Küße hört man flüstern in den Büschen,

Wo sich Licht und Dunkel lieblich mischen,

Wo der Grund, mit Moosen überwebt,

Sich zum Lager schwellend hebt.
[38]

Aber einsam in sich selbst verschloßen,

Schaut Pygmalion dem Feste zu;

Das Frohlocken muthiger Genoßen

Weckt ihn nicht aus seiner ernsten Ruh.

Suchtest du denn von den Schönen allen,

Holder Jüngling, keiner zu gefallen?

Oder hat, für die dein Sinn entbrannt,

Spröde sich dir abgewandt?


Ach, ihm kam wohl mancher Gruß entgegen,

Mancher Wink verhieß ihm Gunst und Glück,

Und es hob von schnellern Herzensschlägen

Mancher Busen sich vor seinem Blick.

Doch umsonst! nie öffnet er die Arme,

Daß davon umstrickt ein Herz erwarme;

Dieser Mund, wo frisch die Jugend blüht,

Wird von Küßen nie durchglüht.


Höher strebt sein einziges Begehren.

Hingeschmiegt an einen zarten Leib

Würde dennoch Sehnsucht ihn verzehren;

Was ihm fehlt, gewährt kein irdisch Weib.

Nicht um Blumen, gleich dem Schmetterlinge,

Auf zur Sonne mit des Adlers Schwinge

Schwebt sein Geist, und athmet reine Luft,

Unberauscht von süßem Duft.


Zur Geliebten hat er sich erlesen,

Die noch nie ein sterblich Auge sah;

Nur ein Schatte, doch ein mächtig Wesen,

Ist sie fern ihm, und doch ewig nah.[39]

Tief in seines Innern heil'ger Stille

Pflegt die Dichtung sie mit reger Fülle,

Und umarmt das göttlich schöne Bild,

Halb von eignem Glanz verhüllt.


In erstauntes Anschaun so versunken,

Fühlt er sich allein, wann er erwacht.

»Götter!« seufzt er dann, »nur Einen Funken,

Einen Funken eurer Schöpfermacht!

Bin ich bloß zu eitlem Wahn geboren?

Meine Lieb' an einen Traum verloren,

Der von ihrem Odem nie beseelt

Liebevoll sich mir vermählt?


Oder thronet, die ich lieb', im Saale

Des Olymp mit sel'ger Allgewalt?

Trinkt sie jeden Tag aus goldner Schaale

Jugend und ambrosische Gestalt?

Wird sie zürnend den Vermeßnen tödten,

Der in Lieb' entbrennt, statt anzubeten?

Oder lächelt sie, voll Größ' und Huld,

Seiner hoffnungslosen Schuld?


Göttin, deren neugeborne Schöne

Einst das Meer in Purpurglut getaucht!

Du, die in die Brust der Menschensöhne,

Wie der Götter, linde Wonne haucht!

Sieh mit unaussprechlichem Verlangen

Mich am Schatten deines Bildes hangen;

Diese Züge hoher Anmuth lieh

Nur von dir die Fantasie.
[40]

Zwar dich darf kein Sterblicher erblicken,

Wie du bist, wie dich der Himmel kennt;

Kaum durchblitzen würd' ihn das Entzücken

Einen schnell vernichtenden Moment.

Aber laß, wie Frühlingswehn, dein Lächeln

Eine jungfräuliche Stirn umfächeln,

Wie die Sonn' im Bache sich beschaut:

Und ich grüße sie als Braut!«


Also fleht er oft, doch aus den Sphären

Steigt Erhörung niemals ihm herab.

Nur die Kraft kann seinen Wunsch gewähren,

Die zuerst dem Wunsche Flügel gab.

Hoffst du Labung außer dir? Vergebens!

In dir fließt die Quelle schönes Lebens;

Schöpfe da, und fühle froh geschwellt

Deine Brust, dein Aug' erhellt.


Eine Stimme, tröstend im Versagen,

Flüstert in die Seel' ihm diesen Rath.

Nein! nicht länger will er schmachtend zagen:

Träume reifen zu Entschluß und That.

Muthig, was er liebt, sich zu erschaffen,

Schärft er seines Geistes goldne Waffen;

Still verheißt dem Sinnenden die Kunst

Hülfe, statt der Götter Gunst.


Jener Zaubrer wandelnder Gestalten,

Dädalus, erzog ihn einst für sie,

Lehr't ihn Bildung aus dem Stoff entfalten,

Bis sie schön zum Ebenmaaß gedieh.[41]

Gern besiegt von seines Meißels Schlägen,

Schien der starre Felsen sich zu regen,

Und er ward auf seines Lehrers Spur

Nebenbuhler der Natur.


Wie Prometheus Menschen, seine Brüder,

Bildet' er der Götter ganzes Chor;

Zog zur Erde nur den Himmel nieder,

Nicht die Erde zum Olymp empor.

Edle Wesen, irdische Heroen,

Doch nicht groß wie die unnennbar Hohen,

Schien ihr mildres, nicht umstrahltes Haupt

Der Unsterblichkeit beraubt.


Und der Künstler wohnt' in ihrer Mitte,

Frei und fröhlich ihnen zugesellt,

Sie bewirthend nach der biedern Sitte

Jener ersten unschuldvollen Welt,

Wo die Himmlischen auf stillen Fluren

Oft mit Menschen Freud' und Leid erfuhren,

Wo Apoll, ein unerkannter Hirt,

Singend Tempe's Thal durchirrt.


Aber seit ein namenloses Sehnen,

Süß und quälend, seine Brust entzweit,

Seit der Wahn des nie erblickten Schönen

Ihn berauscht mit Allvergeßenheit,

Ließ er ruhn die kunstbegabten Hände,

Unbesorgt ob er ein Werk vollende,

Das nur halb, mit zweifelhaftem Sieg,

Aus dem Stein in's Leben stieg.
[42]

Nun, da zu der holden Unsichtbaren

Ihn hinan des Muthes Fittig trägt,

Will er seinen Augen offenbaren,

Was sein Busen heimlich längst gehegt.

In der Flut begeisternder Gedanken,

Die entbunden um die Sinne schwanken,

Liebeglühend, tritt Pymalion

In der Werkstatt Pantheon.


Und, o Wunder! in verklärtem Lichte

Stehen rings die stolzen Bilder da;

Es enthüllt dem staunenden Gesichte

Gottheit sich, wie er sie nimmer sah.

Wie von reinem Nektarthau durchfloßen,

Wonnevoller Ewigkeit Genoßen,

Schön und furchtbar, scheinen sie erhöht

Zu des Urbilds Majestät.


Auf des Donnergottes heitre Brauen

Wallt der Locken hoher Schwung zurück;

Juno thront, die Königin der Frauen;

Pallas senkt den sinnig ernsten Blick.

Bacchus bietet hold die frohen Gaben,

Weiche Jugend blüht dem Götterknaben;

Hermes regt den Sinn, behend und schlau,

Mit der Glieder leichtem Bau.


Selbstgenügsam, in entzückter Feier

Schwebt Apoll, mit Daphne's Laub umkränzt,

Haucht Gesänge zu der stummen Leier,

Die in seinem Arm, ein Kleinod, glänzt.[43]

Und o du! süßlächelnde Dione,

Mit der Anmuth zartem Gürtel! schone!

Gab er nicht zum Opfer Seel' und Sinn

Ganz, Urania, dir hin?


Freudig, doch mit ahndungsvollem Schweigen,

Blickt er auf der Himmelsmächte Kreis,

Richter sind sie ihm und heil'ge Zeugen,

Wie er ringt nach der Vollendung Preis,

Nicht zu ruhn, noch feige zu ermatten,

Schwört er, bis er den geliebten Schatten,

Einen Fremdling in der niedern Welt,

Seinen Göttern dargestellt.


Schöner Stein! in Paros kühlen Grüften

Hat die Oreade dir gelacht;

Ja, du wurdest aus den Felsenklüften

In beglückter Stund' hervorgebracht!

Von der Hand Pygmalions erkoren,

Reiner Marmor! wirst du neu geboren.

Was sein Stahl dir liebend raubt, vergilt

Tausendfach das holde Bild.


Wann Aurora kaum noch deine Weiße

Röthet, eilt der Künstler schon herzu,

Und ihn winkt von immer süßerm Fleiße

Nur die Nacht gebieterisch zur Ruh.

Wann des Schlafes Arm ihn leis' umfangen,

Spielt um ihn das schmeichelnde Verlangen,

Zeichnet sein gelungnes Werk der Traum

Dämmernd in des Aethers Raum.
[44]

Endlich geht die freundlichste der Sonnen

Ueber ihm, Vollendung bringend, auf.

Endlich, endlich ist das Ziel gewonnen,

Und die Palme kühlt des Siegers Lauf.

Vor ihm blüht das liebliche Gebilde,

Gleich der Rose, die der Frühlingsmilde,

Welche webend, athmend um sie floß,

Kaum den Purpurkelch erschloß.


Hüllenlos, von Unschuld nur umgeben,

Scheint sie sich der Schönheit unbewußt,

Ihre leicht gebognen Arme schweben

Vor dem Schooß und vor der zarten Brust.

Reine Harmonie durchwallt die Glieder,

Deren Umriß, von der Scheitel nieder

Zu den Sohlen, hingeathmet fliegt,

Wie sich Well' in Welle schmiegt.


Schön begränzt ihr Dasein stille Gnüge,

Friedlich wohnet es in sich daheim;

Und es ruht im Spiel der linden Züge

Unentfaltet künft'ger Liebe Keim.

Gleich als ob sie nimmer traur' und zürne,

Lacht ihr heller Blick, die ebne Stirne;

Ihre halbgeschloßne Lippe schwoll,

Süßer Tön' und Küße voll.


Selig festgezaubert im Betrachten,

Schaut Pygmalion und glüht und schaut.

Bald verstummt er, aufgelös't in Schmachten,

Bald erschallt des Herzens Hymne laut.[45]

Einen Gegenstand der Huldigungen

Hat sich nun die treue Lieb' errungen,

Die nach dem, was nirgends war, zuvor

In der Oede sich verlor.


Seine Seele, die Erwiedrung heischet,

Leihet der Geliebten, was sie fühlt,

Gern vom eignen Wiederschein getäuschet,

Der um jene Jugendfülle spielt.

Mit des Steines nachgeahmtem Leben

Strebt er sich so innig zu verweben,

Daß sein Herz, von Lieb' und Lust bewegt,

Wie in beider Busen schlägt.


Was ersann er nicht, ihr liebzukosen?

Welche süße Namen nannt' er nicht?

Das Gebüsch verarmt an Myrt' und Rosen,

Die er sorgsam ihr in Kränze flicht.

Aber ach! wann wird ihr holdes Flüstern

Seinen Liebesreden sich verschwistern?

Wann besiegelt der erwärmte Mund

Wiederküßend ihren Bund?


Lächelnd einst, wie mildes Frühlingswetter,

Schaut Urania vom lichten Thron;

Von der Menschen Vater und der Götter

Fordert sie der reinsten Treue Lohn:

Sieh! allein von allen Erdensöhnen

Hat Pygmalion, dem höchsten Schönen

Huldigend, und frei vom Sinnenbrand,

Sich zu meinem Dienst gewandt.
[46]

Nicht aus Trotz, zu eitlem Schöpferruhme;

Folgsam lauschend nur dem innern Ruf,

Stellt' er im verborgnen Heiligthume

Uns die Gattin dar, die er sich schuf.

Jenen Funken, den Prometheus raubte,

Zum Verderben seinem stolzen Haupte,

Gieb ihn mir für den bescheiden Sinn

Meines Künstlers zum Gewinn.«


So die Göttin, und mit Wohlgefallen

Winkt ihr Zeus, und neigt den Herrscherstab;

Locken, den Olymp erschütternd, wallen

Auf die Stirn ambrosisch ihm herab.

Ein gewohntes Opfer darzubieten,

Stand Pygmalion in Duft und Blüthen,

Als es wie ein Blitz sein Mark durchdrang,

Daß er zagend niedersank.


Doch ihn locken ferne Melodien

Zauberisch in's Leben bald zurück.

Rosenfarbne Morgenschimmer fliehen

Um das Bild und laben seinen Blick.

Wie von eines Aetherbades Wogen

Wird sie sanft gewiegt und fortgezogen:

Soll sie eures Himmels Zierde sein?

Götter! Götter! sie ist mein.


Und er fliegt hinzu und schlingt die Arme

Kühn und fest um das geliebte Weib.

Glühend, schauernd fühlt er, sie erwarme;

Seinem Drucke weicht der Marmorleib.[47]

Und es schlägt ihr Herz die ersten Schläge,

Und die Pulse werden hüpfend rege,

Und das Drängen junger Lebenslust

Schwellt die ungeduld'ge Brust.


Und ihr Auge – Wonne würd' ihn tödten,

Schlöß' es sich dem fremden Tage nicht.

Ach, sie drückt mit schüchternem Erröthen

An des Jünglings Busen ihr Gesicht.

Liebe! Liebe! stammeln beider Zungen,

Und die Seelen, ganz in Eins verschlungen,

Hemmt ein Kuß im schwesterlichen Flug

Mit geheimnißvollem Zug.

Quelle:
August Wilhelm von Schlegel: Sämtliche Werke Band 1, Leipzig 1846, S. 37-48.
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