Der Fluß

[181] Wie rein Gesang sich windet

Durch wunderbarer Saitenspiele Rauschen,

Er selbst sich wieder findet,

Wie auch die Weisen tauschen,

Daß neu entzückt die Hörer ewig lauschen;


So fließet mir gediegen

Die Silbermasse, schlangengleich gewunden,

Durch Büsche, die sich wiegen,

Von Zauber süß gebunden,

Weil sie im Spiegel neu sich selbst gefunden;


Wo Hügel sich so gerne

Und helle Wolken leise schwankend zeigen,

Wenn fern schon matte Sterne

Aus blauer Tiefe steigen,

Der Sonne trunkne Augen abwärts neigen.


So schimmern alle Wesen

Den Umriß nach im kindlichen Gemüte,

Das zur Schönheit erlesen,

Durch milder Götter Güte,

In dem Krystall bewahrt die flücht'ge Blüte.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 181.
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