Dreizehnte Romanze

[139] Fackeln irrten, Feuer brannten

In dem Walde um den Toten,

Weiße Zelte in dem Grünen

All der Leid- und Kriegsgenossen.

Balsam, Aloe und Myrrhen

Muß die heil'gen Dienste zollen,

Um den Leichnam zu erhalten,

Bis er zu der Heimat komme.

Klaggesänge und Gebete

Steigen, feierlichen Tones,

Durch die Nacht in dunkler Stunde,

Bis zu Gottes hohem Throne.

Und nun ward ein Suchen, Tragen,

Als der Gottesdienst vollzogen,

Bei des Frührots Morgenscheine,

Jeder für die Seinen sorgend;

Ein'ge führen sie auf Bahren,

Aus des Waldes Grün geflochten,

Tragend andre auf den Schultern,

Sorgsam andre auf den Rossen,

Hier den Leichnam balsamierend,

Dort in neue Klag' ergossen,

Andre lebend noch Verwund'te,

Tragen sie mit Sorge schonend.

Doch des sel'gen Rolands Leiche,

Trägt auf Teppichen von Golde,

Eingehüllt im Fürstenmantel,

Dort ein Maultierpaar erhoben,

Schmuckvoll in des Zuges Mitte.

Bis nach Blavas hohem Schlosse

Hieß ihn Kaiser Karol tragen,

Dort zu Sankt Romanus Dome,

Den er selber hat gestiftet

Und den stolzen Bau erhoben.

Da ward ehrenvoll die Leiche,

Mit dem elfenbeinern Horne

Zu den Füßen, und dem Schwerte

Ruhend an dem Haupt des Toten,

In die tiefe Gruft gesenket,

Bei dem Klang der Trauerglocken.[140]

Selig wohl sind Blavas Mauern,

Welche Stadt in ihrem Schoße

Hat so hohen Gast empfangen,

Trost dadurch und Schutz gewonnen.

Da um Roland nun die Klage,

Nach vollbrachtem Seelenopfer,

Nach vollbrachtem Totendienste,

Wieder sich erheben wollte,

Sprach der gottgeweihte Bischof

Laut die trostesreichen Worte:

»O wie sollte, Klag' anstimmend,

Uns um den zu weinen ziemen,

Welcher selig im Bezirke

Wohnet schon des Paradieses?

Glänzend wohl und ruhmgezieret

War er, als er wallt' hienieden,

Doch noch heller jetzo schimmert

Hoch er über den Gestirnen.

Denn in seines Herzens Tiefe

War ja Gottes Wort geschrieben;

Heiter war er, fromm und bieder,

Allen er ein Vater schiene,

War der Ehre Licht und Gipfel

Und des Rittertumes Zierde.

Drum so wendet nicht die Blicke

Zu dem Sarge, wo mit nichten

Ihr noch könnt den Edlen finden,

Der jetzt schon hinaufgestiegen

Ist zu jener Burg des Himmels.« –

Also lauten jenes frommen

Bischofs Worte voll des Trostes.

Manche Helden sie begruben,

Da Roland bestattet worden,

Heimwärts ziehend jetzt die Christen

An viel gottgeweihten Orten.

Bei Belinum ward begraben

Oliver und Galdebode,

Dän' Ogier und Arastagnus

Mit Guarin und andern Toten.

Selig ist auch dieses Städtchen

Wo so große Helden wohnen!

Bei Bordeaux sind dann begraben,

Ruhend in Sevrines Dome,[141]

Sankt Reinhold und Engelerus,

Mit Gayfer' und den Genossen.

Durch Toulouse war indessen

Der Burgunden Schar gezogen,

Auf dem Aylisfeld bei Arles

Lagern sie sich mit den Toten,

Wo auch jene sind begraben,

Die durch Gottes Hand gestorben,

Da die Schlacht war bei Garzime,

In der Kirche eingeschlossen;

Da begruben die Burgunden

Klagevoll nun ihre Toten.

Herzog Naymes auch von Bayern

Ruhet mit auf dem Kirchhofe.

Viele Lande schenkte Karol

Dort zu Blava nun dem Dome,

Seinem Roland all' zu Liebe,

Viel des Silbers und des Goldes,

Manche Gaben, Rechte stiftend,

Mit dem einzigen Gebote,

Daß sie künftig keinem andern

Ihre Dienste leisten sollen,

Einzig für den Roland betend

Und für seine Kriegsgenossen.

Auch am Tage seines Leidens

Sollen jährlich, wird geboten,

Dreißig Arme schön bekleidet

Und bewirtet sein im Kloster;

Daß des Rolands sie gedenken,

Der den Armen hat geholfen.

Dreißig Messen und Vigilien,

Samt den andern Zeremonien

Heil'ger Trauer sind gestiftet

Zum Gedächtnisse der Toten,

Rolands und der Kriegsgenossen,

Die den Märterkranz erfochten

Auf den spanischen Gefilden,

Streitend für die Ehre Gottes.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 139-142.
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