Siebente Romanze

[119] Boten kamen, bei Nagera

Sei ein Riese, Ferracut,

Fern von Babylon gekommen,

Aus des Goliath Stamm und Blut.

Gen Nagera eilt der Kaiser,

Zu umlagern solche Burg.

Prahlend tritt der Ries' hervor,

Läßt erschallen seinen Ruf,

Fordert Zweikampf von den Christen,

Schmähend laut in wilder Wut.

Kraft hat er, wie vierzig Männer,

Hat vor keinen Waffen Furcht.

Däne Ogier war der erste,

Der das Abenteu'r versucht.

Da der Riese ihn erblicket,[119]

Kommt er sachte angeruckt,

Streckt nach ihm die lange Rechte

Und ergreifet ihn beim Rumpf,

Hat ihn unterm Arm verwahret;

Jenem ward nicht wohl zu Mut.

Ihn mit allen seinen Freunden,

Wie ein zartes Lamm er trug,

Geht damit vor aller Augen

Stracks hinauf zu seiner Burg.

Seine Länge maß zwölf Ellen

Und die Nase einen Fuß,

Arm und Schenkel maßen eben

An drei Ellen gern und gut.

Dann Reinold von Alba Spina

Trägt er wieder in den Turm.

Constantin von Griechenlande,

Einen Grafen noch dazu,

Trug er beide, unter jedem

Arme einen, durch die Flur,

Sperret ein sie zu den andern

Und noch manchen Ritter gut.

Alle staunten, Kaiser Karlen

Muß entsinken wohl der Mut.

Ritter Roland konnt' es länger

Nun nicht tragen mit Geduld.

Nur nach langem Bitten, Harren,

Spricht das Ja des Kaisers Mund.

Wie Roland dem Riesen nahet,

Greift ihn der auf einen Zug,

Mit der Rechten nur ihn setzend

Vor sich auf den Mähnenbusch

Seines Rosses, trabt er eilend

Wieder nach dem Tor der Burg.

Doch der Ritter, Gott vertrauend,

Sammelt seine Kraft zur Stund',

Griff ihn wacker bei dem Barte,

Warf ihn hinten auf den Grund.

Beide lagen sie am Boden,

Beide sprangen gleichen Muts

Wieder auf die Rosse, jeder

Tapfer auf den andern schlug.

Roland will den Riesen spalten

Mit des Schwertes grimmem Schwung;[120]

Doch das Schwert, statt seiner, mitten

Durch den Leib des Rosses fuhr.

Da sein Roß ihm nun getötet,

Stritt der Riese dann zu Fuß,

Drohet viel mit seinem Schwerte,

Bis er's sinken lassen muß.

Doch wie mächtig er getroffen,

Wird des Riesen Arm nicht wund.

Grimmig er die Faust jetzt ballte,

Rolands Roß den Kopf einschlug.

So mit Fäusten, so mit Steinen

Kämpften beide nun zu Fuß.

Da es Abendrot geworden,

Bot den Frieden Ferracut.

Bei den Seinen soll ein jeder

Pflegen diese Nacht der Ruh'.

»Ohne Schwert und Lanze kämpfen

Morgen wir wie heute nur.« –

Also schieden nun am Abend

Diese zwei mit manchem Gruß,

Kehren auf den Kampfplatz frühe

Bei der Morgensonne Glut.

Zwar ein Schwert der Riese brachte

Gegen Recht und seinen Bund;

Doch es mag ihm wenig frommen,

Daß gebrochen er den Schwur.

Roland einen Stecken führte,

Einen Stecken lang und krumm,

Hat ihn viel damit geschlagen,

Doch der Riese ward nicht wund.

Auch mit großen Kieselsteinen,

Die er von der Erd' aufhob,

Bis zur heißen Mittagsstunde

Er ihn unermüdlich schlug.

Da nun Roland Frieden bietet,

In der Mittagszeit zu ruhn;

Schwer von Schlaf alsbald der Riese

Streckt sich auf die grüne Flur.

Einen Felsstein nahm der Ritter,

Wie er stark noch war und jung,

Legte den ihm zu den Häupten,

Daß er desto sanfter ruht.[121]

Roland nicht, noch sonst ein Ritter

Nähme jetzt des Riesen Blut;

Denn so war der Zeiten Sitte,

Da noch blüht' das Rittertum;

Wer dem Feind das Wort gegeben

Und nicht hält der Treue Schwur,

Sei es Christe oder Heide,

Mit dem Tod es büßen muß.

Da der Riese nun erwachte,

Geht der Ritter auf ihn zu,

Setzt ins Gras sich zu ihm nieder:

»Sag mir,« spricht er, »doch mit Gunst,

Wie du also hart gewachsen,

Daß kein Eisen dich macht wund?

Stein noch Holz kann dich verletzen,

Nirgends seh' ich dessen Spur.« –

Staunend schaut ihn an der Riese,

Willig er das kund ihm tut,

Wie am Nabel er verwundbar,

Fest sonst sei von Kopf zu Fuß.

»Der so tapfer mich bestreitet,

Sage Knabe, wer bis du?« –

»Roland bin ich,« sprach der Ritter,

»Von der Franken Stamm und Blut.« –

»Welches Glaubens sind die Franken?« –

Sprach der wilde Ferracut.

»An den Christ durch Gottes Gnade

Glauben wir und seinen Schutz.« –

»Wer doch dieser Christ gewesen,

Sage mir nun zum Beschluß.« –

»Er war Gottes Sohn,« sprach Roland,

»Jungfräulichen Leib's Geburt,

Der am Kreuz gestorben, siegreich

In des Abgrunds Tiefe fuhr;

Auf dann stieg zum Himmelreiche,

Dorten sitzt auf ew'gem Stuhl.« –

»Einer ist der Welten Sultan,

Der hat Vater nicht noch Suhn;« –

Sagt der Ries' und Roland weiter

Spricht im christlichen Disput

Von dem Vater, Sohn und Geiste,

Der die Welten all' erschuf.[122]

Doch der Riese gegenredet:

»Drei und Eins sind nimmer gut.« –

»Tönt die Leier,« spricht der Ritter,

»Wirkt die Saite, Hand und Kunst,

Dreierlei zu einem Schalle,

Deutlich ist doch die Figur.

An der Sonne unterscheidest

Du das Licht, der Wärme Glut,

Dann zum dritten ihre Kreisung,

Drei in Einem klar genug.

Ist dies aber dennoch dunkel,

Sieh' des Mandelbaumes Nuß,

Kern, und grüne Haut, und Schale,

Dreierlei an einer Frucht.

Ja auch an dem Wagenrade

Siehst du dreierhande Stuck;

Nabe, Felge, Speiche eben,

Oder wahrlich du bist stumpf.« –

Wie das also nun geschlichtet,

Fraget weiter Ferracut,

Nach der Jungfrau, die im Schoße

Ohne Mann das Kind doch trug. –

»Wie im Maien alles grünet,

Manche rot' und weiße Blut,

Wo kein Sämann nimmer säte,

Also auch Maria tut.« –

Solches sprach der edle Ritter,

Unermüdlich an Geduld,

Für den lieben Gott zu streiten

So mit Schwerte als dem Mund.

»Sieh doch an in Sommertagen,

Wie in manchem tiefen Sumpf

Plötzlich alles lebt und webet,

Ohne Samen mancher Wurm.« –

»Wohl gesprochen,« sagt der Riese,

»Doch auch das erkläre nun,

Wie der, so zuvor gestorben,

Von den Toten doch erstund.«

»Wie der Löw' am dritten Tage,

Wie der Löwe seine Brut,

Hauchend, die erst tot, belebet,

Gott an seinem Sohn auch tut.

Wie die Sonne,« sprach der Ritter,[123]

»Abends sinkt der Tiefe zu

Und in Osten auf dann steiget,

Leuchtend strahlt am Himmelsrund;

Leicht wohl konnte so sich heben

Aus des grimmen Todes Schlund,

Dem des Todes bleiche Scharen

Alle folgen, wann er ruft,

Die am jüngsten Tage kommen

Alle vor des Richters Stuhl;

Leicht kann durch die Himmel wandeln,

Der die Himmel selber schuf.« –

»Laß' uns kämpfen,« sprach der Riese,

»Und das sei des Kampfes Bund;

Ist dein Glaube wahr, so fall' ich,

Werde siegen, wenn es Trug.« –

»Also sei es,« sprach der Ritter;

»Ewig sei dem Sieger Ruhm,

Schande des Besiegten Volke.« –

Sprang dann auf den Heiden zu.

Mächtig schwingend ihn der Riese

Mit dem Schwert zu schlagen sucht,

Doch es meidet gar behende

Roland ihn im Seitensprung.

Rolands Keule war zerbrochen,

Drum der Ries' in grimmer Wut

Springt auf Roland, ihn ergreifend,

Beugt ihn nieder auf den Grund.

Da sieht Roland keine Rettung,

»Hilf Maria mir,« er ruft;

Doch er biegt sich, zieht behende

Jenes Dolch aus seinem Gurt,

Stieß den in des Riesen Nabel,

Daß in Strömen quillt das Blut.

Sterbend nun der grimme Riese

Schreit, und seinem Gotte flucht.

Eilend auf den Schrei die Heiden

Stürzen aus der hohen Burg.

Roland war schon bei den Seinen

Heimgekehrt in sichrer Hut.

Und die Schar der Sarazenen

Klagend nun den Leichnam trug

Auf die Burg des grimmen Riesen,

Der genannt war Ferracut.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 119-124.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Den Bruderstreit der Herzöge von Gothland weiß der afrikanische Anführer der finnischen Armee intrigant auszunutzen und stürzt Gothland in ein blutrünstiges, grausam detailreich geschildertes Massaker. Grabbe besucht noch das Gymnasium als er die Arbeit an der fiktiven, historisierenden Tragödie aufnimmt. Die Uraufführung erlebt der Autor nicht, sie findet erst 65 Jahre nach seinem Tode statt.

244 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon