|
[205] Canut, Godewin, Haqvin, Ulfo, Godschalk.
ULFO.
Herr, heute brech ich auf. Was nützen wir noch hier?
Den Prinz, das Heer, und mich treibt gleiche Ruhmbegier.
Ich wünsche kund zu thun, wie leicht ich mich begnüge,
Der Prinz wünscht Rach und Blut, das Heer wünscht Streit und Siege.
Doch noch ein Blick von dir begnadige dieß Heer.
Es denkt zu viel an dich, es liebet dich zu sehr,
Daß es so unvermerkt dieß Reich verlassen wollte,
Und seinen Eifer dir nicht erst noch zeigen sollte.
Die Majestät, der Wink, die Rede des Canut
Verneu in ihrer Brust die oft gezeigte Glut,
Mit der sie neben dir nur spielend überwanden,
Den Tod verachteten und Wunden nicht empfanden,
Sag ihnen, daß dein Ruhm mit mir und ihnen zieht,
Und daß dein Auge sie noch in der Ferne sieht.
CANUT.
Es ruht allein auf dir, so bald du willst, zu reisen,
Denn Völker, die du führst, darf ich nicht unterweisen.
Dir hab ich sie vertraut. Die Sorg ist gänzlich dein,
Die Glut, von der du sprichst, in ihnen zu verneun.
Du würdest, wollt ich sie statt deiner siegen lehren,
Als raubt ich deinen Ruhm, dich über mich beschweren.
ULFO.
Doch kennt mich auch dieß Heer, das mir gehorchen soll?
Wer macht es von Vertraun, von Furcht und Liebe voll,
Wenn du nicht dieß Vertraun erst durch mein Lob erweckest,
Und ihm, wie du mich ehrst und wer ich sey, entdeckest?
Lehr es durch deinen Mund, wem es zu folgen hat;
Mir sey dein Schwerdt vertraut, ich steh an deiner statt;
Ich habe schon gezeigt, daß ich zu kriegen wisse;
Ich kenne keine Furcht und keine Hindernisse;
Darum befählest du ihm den Gehorsam an,
Ohn den kein grosses Werk zum Zweck gelangen kann.
Kennt mich sodann das Heer, und weiß es seine Pflichten,
So kann ich sie zum Ruhm mit Nachdruck unterrichten.
CANUT.
So komm denn, wird mein Lob von dir so hochgeschätzt,
Und führe mich zum Heer, dem ich dich vorgesetzt,
Ich brauch ihm, wer du seyst, nicht erstlich zu erzählen,
Und will statt aller Pflicht dein Beyspiel ihm empfehlen.
GODSCHALK.
O! Himmel! Herr, wohin? ... Nein! dieß gestatt ich nicht.
CANUT.
Wie? Ulfo fodert es, und Godschalk widerspricht?
ULFO.
Wie? Niederträchtiger, so störst du selbst dein Glücke?[206]
GODSCHALK.
Herr! liebest du dein Wohl, so bitt ich, bleib zurücke.
ULFO.
Unglücklicher! ist dieß nun meiner Lehren Kraft?
CANUT.
Und sprich! was für Gefahr ...
GODSCHALK.
Herr, die Gefangenschaft ...
ULFO.
Verräther!
CANUT.
Lehre mich doch, was du sagst, verstehen.
Sprich! warum soll ich nicht mein eignes Heer besehen?
GODSCHALK.
Es ist zu deinem Fall, wenn du ihm dieß gewährst.
Der Anschlag ist gemacht, daß du nicht wiederkehrst.
Dieß Heer, das du ihm gabst, das sollte dich umringen,
Und wenn du Fessel trügst, dann auch dein Reich bezwingen.
ULFO.
Ich both dem Thörichten doch Kron und Zepter an,
Und er hat nicht den Muth, daß er nur schweigen kann.
CANUT.
Und du gestehst die That?
ULFO.
Wie sollt ich sie verhehlen?
Mein Anschlag war so groß! ach! mußt er denn verfehlen?
CANUT.
Haqvin, befiehl der Wacht, daß sie ihn mit sich führt.
ULFO.
Was hilft es, daß ein Herz der Trieb nach Ehre rührt,
Wenn andre träge sind, und sucht man sie zu heben,
Doch immer mit Gewalt zur Erde niederstreben?
Wenn es der schönsten That stets an Gehülfen fehlt,
Und wenn man Prinzen selbst zu den Verzagten zählt?
Zu neidisches Geschick, das meine Werke störet!
Wird meine Ruhmbegier denn nie von dir erhöret?
Daß doch dein Eigensinn, der edle Geister drückt,
Nicht einen Augenblick den größten Muth beglückt!
Nun bin ich dir zur Schmach erniedrigt und verlassen,
Nun hilft nicht Muth, nicht List, und niemand scheut mein Hassen.
Der oft betrogne Feind lernt endlich klüger seyn,
Und windet meinen Arm in schlechte Ketten ein.
Du raubst mir alles hin, und kannst nichts wiedergeben.
Du hast noch nicht genug: hier hast du auch mein Leben.
GODEWIN.
Was thust du?
ULFO.
Weich zurück!
GODEWIN.
Halt ein!
ULFO.
Wie? Godewin,
So schimpflich nahm ich dir den Degen nicht vorhin.
Canut! nun kann einmal dein Thron gesichert prangen.
Hier ist die Wache. Kommt, und führt mich nur gefangen.
Verwundert ihr euch nicht, daß ich euch folgen muß?
Sonst furchtet ihr mich mehr dort bey dem Helgafluß.
Buchempfehlung
Der junge Chevalier des Grieux schlägt die vom Vater eingefädelte Karriere als Malteserritter aus und flüchtet mit Manon Lescaut, deren Eltern sie in ein Kloster verbannt hatten, kurzerhand nach Paris. Das junge Paar lebt von Luft und Liebe bis Manon Gefallen an einem anderen findet. Grieux kehrt reumütig in die Obhut seiner Eltern zurück und nimmt das Studium der Theologie auf. Bis er Manon wiedertrifft, ihr verzeiht, und erneut mit ihr durchbrennt. Geldsorgen und Manons Lebenswandel lassen Grieux zum Falschspieler werden, er wird verhaftet, Manon wieder untreu. Schließlich landen beide in Amerika und bauen sich ein neues Leben auf. Bis Manon... »Liebe! Liebe! wirst du es denn nie lernen, mit der Vernunft zusammenzugehen?« schüttelt der Polizist den Kopf, als er Grieux festnimmt und beschreibt damit das zentrale Motiv des berühmten Romans von Antoine François Prévost d'Exiles.
142 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro