Zweyter Auftritt.


[210] Estrithe, Godewin, Ulfo von Wache begleitet.


ULFO.

Was führt man mich hieher? ich will zum Tode gehn.

Wer will hier seine Lust an meinem Falle sehn?

GODEWIN.

Aus Mitleid rufft man dich, bloß um dich zu befreyen.

Dein Fehl ist schon verziehn.

ULFO.

Und wer soll mir verzeyhen?

GODEWIN.

Dein König.

ULFO.

Bloß die Macht erhebt ihn über mich.

Hat er mehr Ruhmbegier, hat er mehr Muth als ich?

GODEWIN.

Verehr die Macht, zu der ihn Recht und Gott erheben.

Der Himmel konnte sie nie einem Grössern geben.

Zum Herrschen braucht man mehr, als Ruhmbegier und Muth.

Die Wut entstellet dich, die Huld schmückt den Canut.

In wem die Billigkeit bey edlem Ehrgeitz wohnet,

Wer stets voll Mitleid straft, stets freudenvoll belohnet,

Wer aus der Menschen Wohl sich selbst Gesetze nimmt,

Den hat selbst die Natur zum Throne schon bestimmt.

Wo hast du einen Feind von dem Canut gefunden?

Dem, welchen alles liebt, gieb dich doch überwunden.[210]

Er sieht die Untreu selbst, und was du ihm gethan,

Nicht als Beleidigter, nur als dein Richter, an,

Als Richter, der nur wünscht, es möchte dich gereuen,

Den du vergnügen wirst, läßt du dir nur verzeyhen.

Freund, dessen Unglücksfall zuerst mich weinen lehrt,

Sprich, daß es dich gereut, und leb und sey geehrt.

Wenn dir es rühmlich scheint, nicht der Gewalt zu weichen:

Durch Huld besiegt zu seyn ist ja der Großmuth Zeichen.

ULFO.

Spar deine Thränen nur. Man führe mich zurück.

ESTRITHE.

Wohin? ach! Grausamer! du gönnst mir keinen Blick?

ULFO.

Du bist die einzige, die ich zu sprechen scheue.

Nein! fodre nur von mir nicht Demuth oder Reue.

Mein Herz, das, wer ich bin, auch sterbend nicht vergißt,

Weiß, welchen Schluß es nun sich selber schuldig ist.

Das Glück haßt meinen Ruhm, und will mich nicht erheben:

Was dieses mir versagt, will ich mir selber geben,

Und zeigen, was es mir für Unrecht angethan,

Und daß man auch durch Muth das Schicksal trutzen kann.

ESTRITHE.

So trutze das Geschick, trutz es durch dein Verderben.

Ist denn der Ruhm so groß, als ein Verbrecher sterben?

Daß er des Glückes Gunst, das dich zu schlecht geschätzt,

Dein Leben und auch mich, wenn du mich liebst, ersetzt?

Doch hätte dieses Glück dich, wie du willst, geehret,

Und deinen schändlichen, verfluchten Wunsch erhöret;

Hätt es dir den Canut in Ketten vorgestellt:

Dann war es erst gerecht, dann priese dich die Welt.

Erkenn, Undankbarer, die Gunst von deinem Glücke.

So vielmal hält es dich vom Frevel schon zurücke,

Läßt dich nicht lasterhaft, als nur im Willen, seyn,

Und stürzet mit Gewalt der Bosheit Anschlag ein.

Es läßt dich, da dein Herz sich selbst zum Schaden wütet,

Stets einen König sehn, der dir Vergebung bietet.

Wie lange suchst du Ruhm auf einer falschen Bahn?

Wähl einen Weg, wo dich das Glück nicht hindern kann.

Was klagst du um das Lob, das dir so oft entgangen?

Durch Tugend würdest du es ohne Müh erlangen.

ULFO.

So hör ich denn von dir erst, was die Ehre sey?

ESTRITHE.

Ihr Grund ist Redlichkeit, und nicht verletzte Treu.

ULFO.

Mein Ruhm kennt seinen Grund, er ruht auf kühnen Werken,

Durch Reue schwächt ich ihn, mein Tod soll ihn bestärken.

GODEWIN.

Die Reu erniedrigt nicht. Nim doch dein Leben an.

ULFO.

Glaub, wär ich Godewin, ich hätt es schon gethan.[211]

GODEWIN.

Vielleicht, ohn daß du sprichst, schenkt dir Canut das Leben.

ULFO.

Doch wer wird mir Vertraun, Gewalt und Völker geben.

GODEWIN.

Verlösch durch deine Treu, was dich darum gebracht:

So hat Canut für dich Vertrauen, Volk und Macht.

ESTRITHE.

Sieh! wie viel Herzen sind, die dich zu retten trachten.

ULFO.

Wenn ich mich retten ließ, ihr würdet mich verachten.

ESTRITHE.

Verachtet man ein Herz, das sich als menschlich zeigt?

ULFO.

Doch das bewundert man, das selbst der Tod nicht beugt.

ESTRITHE.

Wie falsch ist doch der Ruhm [!]

ULFO.

Den will ich sterbend suchen.

ESTRITHE.

Den Ruhm verfluch ich nur, und muß auch dich verfluchen.

ULFO.

Soll dieß der Abschied seyn, den du mir zugedacht?

ESTRITHE.

Barbar, bedenkest du, wie weit du mich gebracht?

Stirb nur, Unmenschlicher, doch gieb, soll ich dich missen,

Mir erst die Ruh zurück, aus der du mich gerissen.

Ich kannte keine Noth, und wußte nichts von dir,

Grausamer, dieses Glück beneidetest du mir,

Ohnfehlbar weil noch was zu deiner Freude fehlte,

Wenn sich kein treues Herz bey deinen Freveln qvälte.

Durch Frevel gabst du mir dich selber zum Gemahl,

Und unser Bündniß war mein erster Schritt zur Qvaal.

Fühl einen Augenblick die Angst, die ich empfunden,

So oft du einen Weg zu deinem Ruhm erfunden,

Die ich dir theils verbarg und theils dich sehen ließ,

Und gegen die dein Herz doch nie Erbarmen wies.

Wie einer, der voll Angst, mit festgebundnen Händen,

Den Dolch am Herzen fühlt, und nicht weiß abzuwenden:

Sah ich stets deinen Arm zum Unglück ausgestreckt,

Und ohne Hülfe mich durch deinen Fall geschreckt.

Dieß alles wollt ich noch verschmerzend überstehen,

Müßt ich die Frucht davon nur nicht verloren sehen:

Nach Furcht, Gefahr und Pein von tausendfacher Art

Hast du zur letzten Qvaal mir deinen Tod verspart.

Und ich soll deiner Wut mit Zärtlichkeit begegnen,

Und noch zum Abschied den, der mich so foltert, segnen?

ULFO.

Du tadelst meinen Muth. Lern von mir standhaft seyn.

Die Thränen sind zu viel. Nun schließt sich deine Pein.

Vor meiner Ruhmbegier hast du umsonst gebebet.

Das Glück schützt den Canut. Du siehst, ich sterb, er lebet.

Die Macht ist mir geraubt, was grosses mehr zu thun.

Ich kann nicht auf der Welt als ein Verzagter ruhn.[212]

Drum will ich der Natur mein gnug gebrauchtes Leben,

Dem König Sicherheit, dir Frieden wiedergeben.

ESTRITHE.

Nun seh ich erst, warum du aus dem Leben fliehst,

Weil du kein Laster mehr hier zu begehen siehst,

Weil du nicht hoffen darfst, daß Menschen, die dich kennen,

Zu deinen Freveln dir noch künftig Mittel gönnen.

Verschieb den edlen Tod nur einen Augenblick.

Vielleicht ist noch ein Ruhm, den du nicht hast, zurück.

Ich, die ich dir bisher kleinmüthig widerstritten,

Ich will dich itzt noch selbst um einen Frevel bitten.

Dein Beyspiel rührt mich schon, ich lerne standhaft seyn.

Wer deinen Ruhm nicht haßt, der wird dir Waffen leihn.

Hier sieh mich unverzagt dein stolzes Knie umfassen.

Eh du die That verübt, sollst du mich nicht verlassen.

Nur diese Frevelthat ist noch zurück für dich,

Die nimm noch mit ins Grab, Verstockter, tödte mich.

ULFO.

Geliebteste, steh auf, und schäme dich zu weinen!

Wenn seh ich den Canut?

GODEWIN.

Itzt wird er hier erscheinen.

Auch sein Verzug bezeigt noch seine Gütigkeit,

Er läßt noch dir zur Reu und uns zum Bitten Zeit.

Hier kömmt er. Hat die Huld, die seine Stirne zieret,

Für dich nur keinen Strahl, der dich mit Ehrfurcht rühret?

Ist denn die Majestät, das Bild der Göttlichkeit,

Das doch der Erdkreiß ehrt, für dich nur nicht geweyht?


Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 210-213.
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