Zweyter Auftritt.


[233] Frau Sylvesterinn. Fiekchen.


FIEKCHEN. Mamachen, sehen sie doch. Ich bin schon ganz und gar fertig angezogen. Ich glaube, der Seiger gehet gar zu langsam.

SYLVESTERINN. Ach! laß mich gehen, Fiekchen. Wenn doch nur Fortunat wieder da wäre! Habe ich nicht seinetwegen ausgestanden? Hat der Strom nicht geschrieen und gestürmet! Ich bin in rechter Todesangst gewesen. Und nun ist er noch nicht da. Er hat nicht einen Augenblick mehr überley! Was fienge ich denn an, wenn der Mensch nicht zu rechter Zeit zum Minister käme? Er bleibt ja ewig außen!

FIEKCHEN. Mamachen, man siehts wohl, daß ich und Fortunat nicht leibliche Geschwister sind. Fortunat, denke ich, nimmt immer gar zu viel vor. Ich habe den ganzen Tag immer mit einerley genug zu thun, und werde doch wohl nicht fertig. Wir mögen Besuch geben oder kriegen: so habe ich gewiß vom frühen Morgen an zu thun, und muß hernach doch wohl noch alles überhin machen, damit ich mich nicht vor den Leuten halb angezogen darf sehen lassen. Aber Mamachen, soll denn Fortunat auch da seyn, wenn Jungfer Lieschen herkömmt?

SYLVESTERINN. Freylich soll er da seyn.

FIEKCHEN. Und soll erst noch wiederkommen? und auch erst noch weggehen? und noch einmal wiederkommen?

SYLVESTERINN. Das ist es eben, was mir solche Angst macht.

FIEKCHEN. Ich dächte, Mama, das wäre unmöglich. Einer von beyden Personen, dächte ich, müßte er es wohl abschlagen lassen, dem Minister oder Lieschen. Wer von beyden ist denn wohl mehr? Doch[233] wohl Lieschen. So wird er nun wohl zum Minister schicken müssen, daß es ihm heute nicht gelegen wäre.

SYLVESTERINN. Sey doch nicht so närrisch. Lieschen wird mehr seyn, als der Minister!

FIEKCHEN. Je nun, Mamachen. Wenn ich närrisch bin: so müßte es Fortunat auch seyn. Der spricht immer: das Frauenzimmer wäre allezeit mehr, als die Mannspersonen; und der Minister ist ja eine Mannsperson.

SYLVESTERINN. Es wird schon angehen, daß er bey Lieschen auch noch zurechte kömmt; wenn er wieder vom Minister gekommen ist.

FIEKCHEN. Aber Mamachen, ich weis nicht, warum Jungfer Lieschen niemals lange bleibt? Sie muß doch gerne was zu thun haben. Ich bleibe allezeit recht gerne bey fremden Leuten. Zu Hause hat man doch immer zu thun und zu laufen. Aber wenn man zum Besuche ist, so kann man doch fein ein Weilchen stille sitzen, und die Hände in den Schooß legen.

SYLVESTERINN. Ach! der böse Fortunat! der kömmt nun noch nicht! Da warte ich auf ihn, und kann mir nicht helfen. Wenn ich gleich nach ihm schickte: wo will ich ihn suchen? Ach! ich weis auch nicht, was mir gefehlet hat, daß ich ihn nicht gefraget habe, wo er hingienge: so könnte ich ihn doch holen lassen. Gebe doch nur der Himmel, daß der Minister unterdessen zu thun hat, und niemanden vor sich lassen kann, bis mein Fortunat wieder da ist, und hingehet. Fiekchen, laß den Caffee brennen: der Besuch möchte bald kommen.


Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 233-234.
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