Zweyter Auftritt.


[245] Fiekchen. Frau Sylvesterinn.


FIEKCHEN. Mamachen, sie wollten ja ungrisch Wasser haben. Hier ist welches. Ich habe mich ganz aus dem Othem gelaufen.

SYLVESTERINN. Du magst sehr gelaufen seyn: ich hätte unterdessen sechsmal in Ohnmacht fallen, und sechsmal mich wieder erholen können.

FIEKCHEN. Fehlt ihnen denn was? Mamachen!

SYLVESTERINN. Ich dachte, ich sollte auf der Stelle umfallen. Der böse Fortunat ist noch nicht beym Minister gewesen.

FIEKCHEN. Da sehen sies, Mama. Ich nehme nicht so vielerley vor, als jener, und sie sprechen immer, ich trödelte gar. Aber ich weis gewiß, ich wäre lange hin, wenn ich hingehen sollte. Fortunat malt immer, Mama. Seyn sie doch so gut, und bitten sie einmal für mich, er soll mir die Fabel vom Adler und der Schnecke malen.

SYLVESTERINN. Was ist denn das für eine Fabel?

FIEKCHEN. Ich habe sie einmal gelernt. Sehn sie nur, Mamachen. Es hat ein Adler mit einer Schnecke gewettet, wer am ersten an den und den Ort kommen würde. Der Adler denkt, ich komme schon noch zu rechte, und fliegt indessen weit weit weg. Die Schnecke schleicht gerade zu; so gut sie kann, und kömmt doch eher.

SYLVESTERINN. Fiekchen, Fiekchen, ich sehe schon was du willst. Laß du mir Fortunaten gehen. Ich möchte doch wissen, wenn du eher, als Fortunat, kämst.

FIEKCHEN. Nun, Mamachen, es fiel mir nur so ein. Fürs Eherkommen wäre mir nun wohl nicht leid. Sie haben mich noch wohl oft genug eine Schnecke geheißen, Mama. Aber Fortunat, dächte ich doch, wäre noch lange kein Adler.

SYLVESTERINN. Mädchen, komm du mir nicht etwan mit solchen Reden angezogen, wenn die Richardinn und ihre Tochter da ist. Ich[245] will dir was sagen: du mußt dirs aber nicht merken lassen. Jungfer Lieschen soll deine Frau Schwägerinn werden. Ihre Frau Mutter hat auch Lust dazu, und Fortunat auch. Er soll nur erst machen, daß er ihr gefällt. Du mußt Fortunaten loben, so sehr als du kannst.

FIEKCHEN. Fortunaten loben? Mamachen, das können sie ja besser, als ich.

SYLVESTERINN. Du sollst ihn aber loben.

FIEKCHEN. Nun! wenns nicht anders ist. Den Willen habe ich wohl: aber, wenn ich nur wüßte, was ich loben sollte. Das müssen sie mir sagen.

SYLVESTERINN. Du wirst wohl allein nicht wissen, was an Fortunaten zu loben ist! Siehst du nicht? Er ist beständig hübsch reinlich, hübsch gekleidet, hübsch gezogen.

FIEKCHEN. Allerliebstes Mainachen: ich will sonst alles gerne sagen; aber nur das nicht.

SYLVESTERINN. Nun, warum aber nicht? Denkst du denn etwan, es ist nicht wahr?

FIEKCHEN. Ach! freylich, ist es mehr, als zu wahr: aber ich kann es unmöglich sagen.

SYLVESTERINN. Kannst du denn nicht sagen, warum? Was fehlt denn dem wunderlichen Mädchen?

FIEKCHEN. Mama, wenn sie mich todt quälten: so kann ich es nicht sagen; und kann auch nicht sagen, warum ich es nicht sagen kann.

SYLVESTERINN. Ach! ich werde es schon errathen haben. Dir werden es aber die Leute am ersten glauben, wenn du ihn deswegen lobst. Denn du hast keinen Vortheil dabey, solche Leute sehr zu loben. Nun! so sprich, daß er schön tanzet, schön zeichnet, schön die Laute spielt, schön zu Pferde sitzt, schön französisch spricht, schöne Verse macht.

FIEKCHEN. Aber der Papa spricht immer, das sollte er alles nicht können. Wenn ich ihn loben will, so dächte ich, ich müßte ihn dessentwegen loben, was er können sollte.

SYLVESTERINN. Nicht doch. Dessentwegen lobt man die Leute nicht, weil sie was können, das sie können sollen; denn das ist ihre Schuldigkeit: sondern, wenn sie was können, das sie nicht können sollen.

FIEKCHEN. Sie loben mich aber niemals, Mama, wenn ich was thue, das ich eben nicht thun sollte.

SYLVESTERINN. Wenn du nur thätest, was du thun solltest. Du denkst gerne nicht dran, etwas zu thun, das du nicht sollst! Weswegen lobt denn unsre Nachbarinn den jungen Candidaten, der immer ins Haus kömmt.

FIEKCHEN. Weil er das Waldhorn gut bläst.[246]

SYLVESTERINN. Weswegen denn den Doctor?

FIEKCHEN. Weil er die ganze Nätherey versteht, von der Kreuznath an, bis zum Hexenstiche.

SYLVESTERINN. Weswegen denn den Amtmann?

FIEKCHEN. Weil er den ganzen Morgen über den Haaren zubringt.

SYLVESTERINN. Weswegen denn den Officier?

FIEKCHEN. Weil er die Schminkpflästerchen so schön anzubringen und aufzulegen weis.

SYLVESTERINN. Sollen sie denn das können? oder nicht?

FIEKCHEN. Ja, ja, sie haben recht, Mamachen. Es ist mir desto lieber. Ich verstehe es zwar nicht. Aber wenn ich an ihm loben wollte, was er können sollte: so müßte ich doch wohl ein Bißchen lügen.

SYLVESTERINN. Itzo schlägts drey.


Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 245-247.
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