Achter Auftritt.


[255] Sylvester. Frau Sylvesterinn. Frau Richardinn. Lieschen. Fiekchen.


SYLVESTER. Wenn Herr Renner auf die Märkte gienge; so versäumte er gewiß keinen.

RICHARDINN. Es kann nicht anders seyn. Er muß eilen! Wer weis, welchen Termin er hat, oder was sonst nöthig ist?

LIESCHEN. Es würde mir eine Schande seyn, wenn ich bey meinem Besuche zu spät käme, und ihm, wenn er einen Termin versäumte.

SYLVESTER. Sie haben recht, Jungfer Lieschen. Die Besuche sind, wie die Termine. Es muß beydes ordentlich seyn.

SYLVESTERINN. Er hat mit meinem Sohne einen Termin. Compromittiren wollte er. Ich habe einmal einen Proceß gehabt, da mein Advocat auch sagte, es wäre am besten, wenn wir compromittirten: und da erschienen die Parteyen auf dem Termine alle beyde nicht Das wird es wohl seyn.

SYLVESTER. Und nun ist der nachläßige Mensch nicht da, und bey dem Minister ist er auch nicht. Jungfer Lieschen, ich bin recht böse auf ihn. Er hätte sich ihren Besuch besser zu Nutze machen sollen.

SYLVESTERINN. Laß doch nur meinen Sohn zufrieden. Renner kann zehnmal zum Minister hin und wieder laufen, ehe er einmal über die Gasse geht. Die gezogenen Leute gehen so. Die Schulpferde gehen auch langsam durch die Stadt.

SYLVESTER. Ach! was habe ich mit einem Schulpferde zu thun? Ein Advocat ist kein Schulpferd. Sieh doch Herrn Renner an. Der malt nicht, wenn er aufs Rathhaus gehen soll; der putzt sich nicht drey Stunden. Der geht nicht an zehn Orte, und vergißt den, wo er hingehen soll; der würde nicht herumlaufen, wenn er wüßte, daß er die Ehre haben sollte, Jungfer Lieschen zu sprechen.

LIESCHEN. Mama, es ist schon eine halbe Minute über die Zeit, die wir haben verziehen wollen.

SYLVESTER. Sie werden doch wohl gar gehen wollen, Jungfer Lieschen? Nein! nein! sie müssen da bleiben. Mein Sohn muß noch mit ihnen sprechen.

LIESCHEN. Es ist gewiß unmöglich. Denn wir haben einen kleinen Spazierweg vor.

SYLVESTERINN. Einen kleinen Spazierweg werden sie uns allen ja aufopfern.

LIESCHEN. Ich habe einigen von meinen guten Freundinnen gesagt, daß sie mich antreffen würden: und sie werden mich ja nicht zur Lügnerinn machen wollen?[256]

SYLVESTER. Je! ja doch, Jungfer Lieschen. Ich nehme nicht gerne eine Lügen auf mich: aber die will ich auf mein Gewissen nehmen.

LIESCHEN. Ich dürfte mich doch vor Scham nicht mehr sehen lassen, wenn ich mir in meinem Leben vorwerfen könnte: daß ich nur eine Minute später wohin gekommen wäre, als ich mir vorgesetzet hätte.

SYLVESTERINN. So wollen sie denn gehen?

RICHARDINN. Nicht anders.

SYLVESTERINN. Sie verziehen doch gar nicht lange!

LIESCHEN. Ein langer Besuch ist mir was verhaßtes: er macht so viel Versäumniß.

SYLVESTERINN. Und sie wollen meinen Sohn nicht sehen, Jungfer Lieschen?

LIESCHEN. Die Schuld ist nicht mein.

SYLVESTERINN. Ach! er wird sich nicht zufrieden geben, wenn sie weg sind. Er hat ihnen tausend schöne Dinge sagen wollen: warten sie doch!

LIESCHEN. Sie wissen, was uns treibt.

RICHARDINN. Erlauben sie uns doch in unsrer Ordnung zu bleiben.

SYLVESTERINN. So muß ich es geschehen lassen. Wenn ich nur wüßte, wie ich meinen Sohn hernach zufrieden spräche. Komm mit, Fiekchen: wir müssen unsern Besuch begleiten.

Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 255-257.
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