[269] Strom. Frau Sylvesterinn.
STROM. Nun! Frau Sylvesterinn. Haben sie ihren Sohn sich vor ihren Augen in die Sänfte setzen lassen? Haben sie ihn zu mir tragen lassen, und zwar um halb vier Uhr?
SYLVESTERINN. Herr Strom, sie sind der hitzigste Mann, den ich auf der Welt gekannt habe. Ich würde das alles wohl gethan haben, wenn ich es für nöthig befunden hätte.
STROM. Und sie sind die kaltsinnigste Frau, mit der ich in meinem Leben entweder gehandelt, oder proceßiret habe, oder verwandt gewesen bin. Sie haben es nicht für nöthig befunden? Sehn sie doch! Es ist nicht genug, daß ich ihren Sohn zu meinem Unglücke zum Advocaten habe? Nicht wahr? Ich soll auch noch sie zur Consulentinn haben, damit ich recht gestraft werde!
SYLVESTERINN. Nun! ich sage, daß ich es nicht für nöthig befunden habe; und ich will es noch zehnmal sagen, wenn sie es haben wollen.
STROM. Und ich befinde für nöthig, und will es ihnen einmal sagen, und nicht mehr: daß ich aus ihrem Hause gehen will, und daß sie sprechen sollen, ich habe alle meine Käufer betrogen, wenn ich mein Wort nicht halte, und in meinem Leben ein einzigmal wieder hereinkomme.
SYLVESTERINN. Herr Strom, hören sie mich doch nur! Der Termin ist aufgehoben. Mein Sohn hat mit dem Kläger compromittiret.
STROM. Seht ihrs? Thut sie nicht noch wie ein Bißchen mehr, als ein Advocat? Sie wird wohl auch noch Consulentengebühren haben wollen. Was reden sie mir denn für Wörter vor? Man hat mit den Advocaten genug zu thun, daß man sie versteht. Fangen denn die Weiber auch noch an, so zu reden?
SYLVESTERINN. Ich kann es ihnen nicht anders sagen, als ich es gehört habe. Recht weis ich selber nicht, was es ist.
STROM. Gleichwohl haben sie es nicht für nöthig befunden, ihren Sohn hinzuschicken: damit ich die Ehre haben könnte, ein paar Wörter von ihnen zu hören, womit ihnen der Herr Fortunat das Maul geschmieret hat, und die sie selber nicht verstehen.
SYLVESTERINN. Herr Strom, lassen sie mich nur zum Reden kommen, ehe sie so lärmen.
STROM. Ja! wenn ich sie nun zum Reden kommen ließe: so könnten wir den Termin vollends verreden, und ich käme doch wohl nicht an die Reihe, daß ich auch reden könnte.
SYLVESTERINN. Der Termin ist heute nicht!
STROM. Sie werden wohl machen, daß er nicht seyn kann.[270]
SYLVESTERINN. Ich nicht! Aber des Klägers sein Advocat und mein Sohn haben einander versprochen, daß heute beyde Parteyen nicht da seyn wollen, und der Termin soll ausgesetzt seyn, bis auf ein andermal.
STROM. Der Teufel muß doch ihren Sohn reiten, daß er die Termine aufschiebt! Er wird mir wohl das Geld alle aus dem Beutel proceßiren wollen, daß er mir den Proceß verlängert.
SYLVESTERINN. Herr Strom, es kann ihnen ja nichts schaden. Unterdessen werden die Zeuge wieder wohlfeil: so wird ihr Kläger nicht so sehr drauf dringen.
STROM. Ich habe es ihnen gesagt, daß ich nicht sie, sondern ihren Sohn zum Advocaten haben will: wenn gleich einer so viel davon versteht, als der andre.
SYLVESTERINN. Du lieber Himmel! darf man denn gar nicht reden?
STROM. Ich komme gar nicht her, daß ich mit ihnen reden will, außer daß ich ihnen habe vorwerfen wollen, daß sie mich betrogen haben. Nur mit ihrem Sohne habe ich reden wollen!
SYLVESTERINN. Wahrhaftig! ich dächte, es sollte ihnen lieb seyn, daß der Termin aufgeschoben ist.
STROM. Ja! es ist mir lieb. Denn ich kann unterdessen einen andern Advocaten finden.
SYLVESTERINN. Reden sie denn schon wieder von einem andern Advocaten? Mein Sohn mag auch denken, er macht es noch so gut, und ich dazu: so macht man es ihnen doch niemals recht.
STROM. Sie sollen nichts machen: sie mögen es gut oder nicht gut machen. Und ihr Sohn soll sich nicht unterstehen, ohne mein Vorwissen die Termine aufzuschieben.
SYLVESTERINN. Lieber Herr Strom, suchen sie doch deswegen keinen andern Advocaten. Er wird es nicht mehr thun?
STROM. Er könnte wohl auch den Proceß verlieren, und es nicht mehr thun wollen. Einen Proceß verliert man nicht mehr als einmal.
SYLVESTERINN. Besinnen sie sich doch anders, Herr Strom.
STROM. Wo ist denn ihr Sohn?
SYLVESTERINN. Er ist ausgegangen.
STROM. Ausgegangen? Frau Sylvesterinn. Ihr Sohn geht doch wohl den ganzen Tag über aus.
SYLVESTERINN. Sonst nicht sehr.
STROM. Das glaube ich. Er geht wenigstens vielleicht den Tag nur einmal aus dem Hause.
SYLVESTERINN. Ach! Herr Strom. Behalten sie meinen Sohn zum Advocaten.
STROM. Ich will mich besinnen. Aber das sage ich ihnen: die Wahrheit[271] sage ich ihm vorher noch recht. Gott behüte sie, Frau Muhme. Begleiten sie mich nicht, Frau Sylvesterinn. Wir kommen den Tag über öfter zusammen.
SYLVESTERINN. Ich habe sonst allerley zu besorgen, Herr Strom, ich muß doch mitgehen.
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