Zweyter Auftritt.


[274] Lieschen. Fortunat.


FORTUNAT. Ich kann ihnen die Versicherung geben, daß ich niemals so eifrig, so gerade, so hurtig nach einer Sache gegangen bin: als ich dießmal gethan habe, sie wieder zu uns zu bringen.

LIESCHEN. Sie haben mich aus meiner ganzen Ordnung gerissen. Wir waren gleich im Begriffe nach Hause zu gehen, und es waren Dinge zu Hause, die recht auf mich warteten. Sie können glauben, daß ich recht böse auf sie bin.

FORTUNAT. Sie sind böse, liebstes Jungfer Lieschen?

LIESCHEN. Sie würden mich nimmermehr darzu gebracht haben, wieder zu ihnen zurück zu kommen: wenn ihnen meine Mama nicht beygestanden hätte, und wenn sie nicht selber noch gegangen wäre, einen Theil meiner nöthigsten Geschaffte zu besorgen.

FORTUNAT. Sie würden sonst nimmermehr zu uns gekommen seyn? Wer ist ihnen denn in unserm Hause so verhaßt?

LIESCHEN. Gewiß niemand. Aber es ist etwas anders, das mir verhaßt ist, und das mich hätte abhalten sollen, mich im geringsten bewegen zu lassen.

FORTUNAT. Ich bitte sehr. Entdecken sie es doch. Was ist ihnen so verhaßt?

LIESCHEN. Die Unordnung, die dadurch in unserm Hause entstehen wird.

FORTUNAT. Verursachet man denn Unordnung in einem Hause, wenn man nicht da ist. Wenigstens weis ich aus der Erfahrung, daß ich mehr Unordnung in meinem Hause mache, wenn ich da bin, als wenn ich nicht da bin.

LIESCHEN. Schlimm genug! Das ist ein Zeichen, daß sie mehr Unordnung stiften, als verhüten.

FORTUNAT. Das kann ich eben nicht sagen: denn ich bin mehr außer dem Hause, als in dem Hause. Und weil ich nur Unordnung stifte, wenn ich zu Hause bin, und nicht, wenn ich nicht zu Hause bin: so verhüte ich mehr Unordnung, als ich stifte.[274]

LIESCHEN. Das Bekänntniß ist unmöglich ihr Ernst: denn gewiß, mit ihrer Erlaubniß, es ist nicht zu ihrem Vortheile.

FORTUNAT. Warum das? Wer viel thut, der kann nicht allezeit ordentlich seyn.

LIESCHEN. Es kann seyn. Ich lobe mir aber wenig, doch ordentlich.

FORTUNAT. Ach! ich habe mich ganz erhitzt, so viel habe ich den Nachmittag zu gehen gehabt.

LIESCHEN. Es ist schade, daß die Mannspersonen keine Fächer tragen. Es würde ihnen recht artigste hen.

FORTUNAT. Darf ich mir ihren ausbitten!

LIESCHEN. Nicht wahr? sie möchten mir Schaden daran thun! Die Mannspersonen wissen mit solchen Sachen nicht umzugehen.

FORTUNAT. Das haben sie nicht zu besorgen. Ich müßte mich schämen, wenn ich mit einem Fächer nicht umgehen könnte. Ich dächte fast, es wäre so viel, als wenn ich mit dem Frauenzimmer selber nicht umgehen könnte.

LIESCHEN. Man würde dessentwegen nicht weniger von ihnen halten, wenn sie auch gleich mit einem Fächer nicht umzugehen wüßten.

FORTUNAT. Der Fächer ist schön gemalt. Ich hatte mir vorgenommen einen zu malen: aber ich darf es nunmehr nicht wagen.

LIESCHEN. Ich kann nicht sagen, daß mir die Malerey gefiele. Ich kann sie gar nicht auf den Fächern finden, wie ich sie haben will.

FORTUNAT. Sind sie eine so gute Kennerinn? Das ist mir recht lieb. Ich werde ihnen tausenderley weisen können.

LIESCHEN. Ich bin ganz und gar keine Kennerinn: aber ich habe nur niemals einen Fächer finden können, der mir gefallen hätte. Man malt so viel unnütze Dinge drauf. Die Leute mögen lachen, wie sie wollen. Ich dächte, wenn ich malen könnte; ich malte mir einen Kalender darauf. Denn der Fächer ist gewiß der allerbequemste Ort allemal einen Kalender bey sich zu haben, zumal da man ihn itzo Sommer und Winter trägt. Und wenn es ja Zierrathen dabey geben sollte: so ließ ich mir etwan auf die andre Seite eine Uhr malen.

FORTUNAT. Eine Uhr? warum denn eine Uhr?

LIESCHEN. Ich kann ihnen keine andre Ursache sagen, als weil es mein Sinnbild ist.

FORTUNAT. Sie haben auch ein Sinnbild? Haben sie noch keine Ueberschrift dazu? Ohnfehlbar ists: Wenig doch ordentlich; wie sie vorhin sagten.

LIESCHEN. Ach! das ist ja schön, daß sie mir darauf helfen: ich habe noch keine Ueberschrift gehabt. Wenigstens muß man ihnen das lassen, daß sie sinnreich sind.[275]

FORTUNAT. Ich werde ihnen ihr Sinnbild malen, wenn sie es erlauben wollen. Es soll mein erstes Geschäffte seyn.

LIESCHEN. Behüte Gott! das würde Zeit kosten. Aber was ist denn ihr Sinnbild?

FORTUNAT. Ich will es ihnen sagen. Ein Schäfer, der wie ich gestaltet ist, und zu den Fassen einer Schäferinn liegt, die recht schön und recht artig, und ihnen ähnlich ist.

LIESCHEN. Sie bezahlen die Leute gar übel, die ihnen Fragen thun. Ist das ihr Notariatsiegel?

FORTUNAT. Ich kann sie versichern, daß ich die Zeit meines Lebens kein ander Sinnbild haben werde, und daß auf der Welt sich keines besser für mich schickt, als das.

LIESCHEN. Sie werden es vielleicht allezeit ein Bild bleiben, und niemalen eine wahrhafte Sache werden lassen. Ich muß gestehen, man führt mich heute in ihrem Hause recht sehr in Versuchung.


Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 274-276.
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