Dritter Auftritt.


[276] Frau Richardinn. Die Vorigen.


LIESCHEN. Sie kommen schon, Mama. Mit Erlaubniß, haben sie meine Geschaffte zu Hause versehen? Haben sie die Uhr aufgezogen?

RICHARDINN. Das habe ich gethan.

LIESCHEN. Haben sie meinen Blumen frisches Wasser gegeben?

RICHARDINN. Das ist geschehen.

LIESCHEN. Haben sie denn auch meine Vögel gefüttert?

RICHARDINN. Alles ganz richtig.

LIESCHEN. Und meinen kleinen Hund nicht vergessen?

RICHARDINN. Du kannst dich darauf verlassen, Lieschen.

LIESCHEN. Sehn sie, mein Herr, was sie mich alles hätten versäumen lassen, wenn die Mama es nicht auf sich genommen hätte. Aber das muß ich ihnen doch sagen, daß ich eine Stunde genähet haben würde, wenn ich zu Hause gewesen wäre; und daß ich nicht weis, wie ich es wieder einbringen soll.

FORTUNAT. Glaube ich doch, sie machen sich mehr Gewissen, eine Nähstunde zu versäumen, als ich einen Proceß. Ich weis gewiß, daß ich ihnen für diese einzige Nähstunde zehn Termine aufopfern wollte.

RICHARDINN. Das würden sie doch nicht thun, Herr Fortunat. Das wäre unverantwortlich!

LIESCHEN. Ey! einem Menschen, von dem ich wüßte, daß er wichtige Geschäffte versäumte, dem würde ich in meinem Leben nicht wieder[276] gut. Ein Mensch, der nicht thut, was er soll, der hindert seine eigne Absichten. Er macht, daß sich niemand auf ihn verlassen kann. Und auf wen sich niemand verlassen kann, der kann sich auch wieder auf niemanden verlassen. Er macht, daß die Leute durch ihn unglücklich werden, wenn sie ihm was anvertrauet haben. Ich kann nicht alles Böse auf einmal sagen, das ich auf einmal von einem solchen Menschen denke.

RICHARDINN. Es ist mir ein rechtes Vergnügen gewesen, da ich vorhin gesehen habe, daß sie ihrer Geschäffte wegen unsern Besuch versäumet haben. Das ist die einzige Ursache, warum ich meine Tochter beredet habe, ihnen das Vergnügen zu machen, und wieder hieher zu kommen. Ich glaube, daß sie ihnen die Vergeltung schuldig ist, und wenn sie mit ihrer Arbeit einmal aus Nacht Tag machen sollte.

FORTUNAT. Wenn sie Liebhaberinnen von der Musik sind, will ich ihnen etwas auf der Laute vorspielen. Ich habe der Jungfer Lieschen vorhin was gesagt, darauf sie mir noch nicht geantwortet hat. Ich will sehen, ob sie mir antworten werden, wenn ich es ihnen vorsinge und vorspiele.

LIESCHEN. Ich glaube, daß ich ihnen noch weniger antworten werde. Ich würde ihnen meine Antwort nicht auch singen können: und was singend gefragt wird, das darf man nicht redend beantworten.

RICHARDINN. Sie singen also auch? Sie können ja alles. Es fehlt nichts, als daß sie noch auf dem Seile tanzen könnten.

FORTUNAT. Ich glaube, daß ichs kann. So gehts ungefehr – – – – Ich habe meine Laute gleich bey der Hand. Hier ist sie. – – – Wie geht denn das zu? Wie ist das möglich? Hier ist das Futteral: und meine Laute ist nicht da. Es darf sie ja niemand anrühren! Ich weis nicht, wohin sie gekommen ist.

RICHARDINN. Sie haben unfehlbar jemanden ein Ständchen damit gebracht: und da werden sie sie noch gelassen haben.

FORTUNAT. Habe ich sie denn auch wohl wieder aufgehoben, da ich sie das letztemal gebraucht habe? Ich muß nachfagen. Erlauben sie, daß ich sie einen Augenblick verlasse.


Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 276-277.
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