Vierter Auftritt.


[277] Lieschen. Frau Richardinn.


RICHARDINN. Nun, Lieschen. Glaubst du bald, was ich dir vorhin bey dem Spazierengehen gesagt habe? Wie gefällt dir denn der Herr Fortunat?[277]

LIESCHEN. Ich fange bald gar an zu glauben, daß es Ernst ist; zumal da der alte Herr Sylvester vorhin davon redete. Denn Herrn Fortunaten allein glaubte ichs nun wohl eben nicht. Ich dächte auch wohl noch, ihnen alles offenherzig zu sagen, er gefiele mir. Aber wenn er nicht weis, wo er seine Laute hingethan hat: so darf er sich keine Rechnung machen, daß ich ihn lieb haben kann. Wer weis, ob er nicht für seine Laute am meisten sorgt? und wie wird er mit den übrigen Sachen umgehen, für die er nicht so sehr sorgt?

RICHARDINN. Du gutes Kind, du willst einen ordentlichen Mann haben, weil du selber ordentlich bist. Höre nur, Lieschen, ich will dir was sagen: was hilft dir denn die Ordnung, wenn zwey ordentliche Leute zusammen kommen?

LIESCHEN. Was hülfe sie denn, wenn ich mit einem unordentlichen Manne zusammen käme? daß er zerstörte, was ich gebaut hätte?

RICHARDINN. Je! die Tugend will Gelegenheit haben. Denke nur an: wenn ein Frauenzimmer, das geduldig ist, einen Mann hätte, der auch geduldig wäre, was würden sie denn vor lauter Geduld anfangen? Der Mann thäte der Frau nichts, und die Frau dem Manne nichts: und so stürben sie, und es wäre noch die Frage, ob es dem Redner bey der Gedächtnißrede in den Kopf käme, daß die beyden Leute geduldig gewesen seyn sollten. Aber wenn eine geduldige Frau einen bösen Mann hat: da sieht man erst, was für Geduld in ihr ist, und da müßte einer blind seyn, wenn er es nicht sähe.

LIESCHEN. Ja, Mama. Das trifft nicht überall ein.

RICHARDINN. Warum träfe es denn nicht überall ein, Lieschen? Wenn der Mann viel Geld verthut, und die Frau sparet; so sprechen alle Leute: der Mann müßte aus dem Lande laufen, wenn er nicht eine so haushältige Frau hätte. Wenn der Mann geizig ist, und die Frau ist freygebig; so sprechen die Leute: es kriegte kein Mensch in dem Hause zu essen, wenn die Frau nicht wäre. Wenn du nun ordentlich wärest, und dein Mann auch, wer würde denn sprechen: die Frau hält ihren Mann recht in Ordnung. Und was wolltet ihr euch zu thun machen? Du würdest, wie itzund, wechselsweise einreißen, und wieder bauen müssen: damit euch die Weile nicht lang würde.

LIESCHEN. Aber, Mama, ich würde niemals recht in Ordnung kommen.

RICHARDINN. Und dein Mann auch niemals recht in Unordnung. Ach! Lieschen, zwey Leute von einerley Art brüten mein Tage nichts Gutes aus. Wenn einer spräche: ich will das und das recht schön haben. Je! fürstlich wollen wir es haben, mein Kind! spräche der andre. Je! nun! wenn du so denkst, hieße es hernach, so ist mirs[278] desto lieber. Da hätten wir die Narren beysammen. Aber wenn der Mann etwa sagte: nicht doch! mein Kind! geh du immer so hübsch schlecht, wie deine liebe Großmutter vordem gegangen ist. Du hast ja noch Kleider von der, die du tragen kannst. Was wollen sie darnach machen? Sie müssen sich doch wohl vergleichen. Und da muß jegliches nachgeben. Daraus kömmt hernach das Mittelfenster.

LIESCHEN. Ach, Mama, mit ihrer langen Predigt machen sie nimmermehr, daß ich einen unordentlichen Mann haben wollte, der mich zu Tode ärgerte. Fortunat geht zwar doch ordentlich in Kleidern: aber wenn er nicht weis, wo er die Laute hat, so lobe ich mir Rennern. Der ängstet sich doch über alle seine Sachen, und denkt, er wird sie versäumen. Geputzt geht er nicht, aber er hat seine Ordnung innerlich.

RICHARDINN. Wer weis, was das Ding mit der Laute ist? Man muß nicht gleich Uebels denken.


Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 277-279.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der geschäftige Müßiggänger
Der geschäftige Müßiggänger