[305] Frau Praatgern. Charlotte. Leonore.
PRAATGERN.
Komm! Leonore, komm! hilf mir zu einer List,
Dabey ich sehen will, ob du gehorsam bist.
Bedenk ich habe dich mit Schmerz zur Welt geboren.[305]
Laß sehn, ist dieser Schmerz an dir nicht ganz verloren?
LEONORE.
Befehlen sie, Mama, was fodern sie von mir.
PRAATGERN.
Man lacht Charlotten aus, und tadelt mich in ihr.
Wahr ist es zwar ich darf mich meiner Zucht nicht schämen.
Doch nach dem Mannsvolk muß ein Mägdchen sich bequemen.
In ihren Meynungen sind sie nicht einerley,
Dem ist man allzustill, dem andern allzufrey.
Wär ich ein junger Mann: Ich hielt es mit den blöden.
Doch Jungwitz will, sie soll, wie ein Orakel, reden,
Dem dummen Schöps gefällt ein artiges Gesicht,
Das wenig Worte macht, und doch viel wünschet, nicht.
Er war schon im Begriff den Handel abzubrechen.
Mit Müh beredt ich ihn, sie noch einmal zu sprechen.
Und spricht sie dießmal nicht so schön, wie ein Roman:
So ist es alles aus und um ihr Glück gethan.
Hier soll sie sitzen. Sieh! du sollst dahinten stecken.
Hier wird dich niemand sehn. Ihr Rock wird dich bedecken.
Hilf, was sie sagen soll, von Wort zu Wort ihr ein.
Er hält sich für so klug, er muß betrogen seyn.
LEONORE.
Was sagen sie? Mama, ist das im Ernst gemeynet?
PRAATGERN.
Im Ernst? Der Sache fehlt dein Beyfall, wie es scheinet.
LEONORE.
Gesetzt auch der Betrug gelingt, was für Verdruß ...
PRAATGERN.
Lehr du mich nur, wie man Heyrathen stiften muß.
LEONORE.
Und glauben sie, daß er das nicht gleich merken könne?
PRAATGERN.
Ey! dünkt das Ey doch stets sich klüger als die Henne.
LEONORE.
Und wenn denn sie und ich dadurch in Schande sind.
PRAATGERN.
Thu es, ich halte dich sonst nicht mehr für mein Kind.
Der Anschlag ist so fein. Du wirst michs besser lehren.
Ich will Gehorsam sehn und deinen Rath nicht hören.
Charlotte setze dich. Du! steck dich hinter ihr.
Was schleichst du so? mach fort. Ich glaub er ist schon hier.
So! ... Hilf ihr kurze Zeit! nur ohne dich zu rühren!
Ich will schon bald zu euch den alten Richard führen.
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