Das 38. Capitel.
Wenn ein Weib oder Magd des Sonnabends ihren Rocken nicht abspinnet / so wird aus dem übrigen Flachs oder Werck kein gut Garn / und bleicht sich auch nimmermehr weiß.

[239] Ich habe nicht gewust, wie es doch komme, daß in mancher Leinwand solche graue Streiffe sind? aber hier werde ich davon benachrichtiget, daß es Garn von solchem Flachs, der des Sonntags über auf dem Rocken geblieben ist. Dieses soll sich nimmermehr weiß bleichen, auch sonst an sich selbst wenig taugen. Nun wundert mich aber gleichwohl auch, wie es doch die Weiber können über ihr Hertz bringen, und wider sich selbst reden. Denn wenn iemand ihnen Leinwand abkauffet, darinnen graue Streffen und Fäden sind, so sprechen sie; Die streiffigte Leinwand sey die beste. Dieses aber reimet sich mit jenem gar nicht / denn schlimm Garn kan keine gute Leinwand machen. Daher achte ich dafür, es sey die Sache folgender massen beschaffen: Wenn eine gute Wirthin Mägde und grosse Töchter hat / so siehet sie nicht allein gern, daß des Sonnabends fein aufgereimet, und die häußliche Arbeit vollbracht werde; sondern sie will auch gern, daß der auf denen Spinn-Nädern und Rocken liegende Flachs vorher abgesonnen werde /auf daß solcher nicht irgend des Sonntags von Ratten und Mäusen, oder auch von Kindern, verderbet und zerzauset werde, und hernach kein gutes[240] Garn daraus zu spinnen seyn möge. Und dieses desto besser zu befördern / hat eine Frau einmahl aus Schertz, den Mägden weiß gemacht, als ob sich das Garn von dem des Sonntags auf dem Rocken gelegenen Flachse nicht weiß bleiche, auch sonst nicht gut würde. Und solches Vorgeben ist hernach mit derZeit fest geglaubet worden, daß es nun würcklich zu einem philosophischen Glaubens-Grunde worden ist. Das lasse ich zwar passiren, und glaube wohl, daß zuweilen des Sonntags der Flachs auf dem Rocken von Kindern verderbt und zerzauset wird, daß daraus kein gut Garn zuspinnen ist; daß aber solch Garn sich nicht solle weiß bleichen lassen / ist wider die Vernunfft und Wahrheit. Denn eben, wie sich das am Sonnabend gesponnene Garn bleicht, also bleicht sich das am Montag darauf gesponnene auch, so ferne es nur von einerley Flachs ist. Das aber Leinwand offt streiffig wird, geschicht, wenn zuweilen grauer Flachs unter den weissen kömmt und mit gesponnen wird, so bleiben alsdenn solche Fäden immer in der Leinwand grau, wenn die Leinwand naß wird.


Die wegen andrer Arbeit hat den Flachs nicht aufgesponnen,

Die glaube mir, daß nur aus Spaß ein klug Weib hab ersonnen,

Ob würde kein gut Garn gemacht, vom Flachs der an dem Rocken

Des Sonntags überblieben sey, damit sie mög anlocken

Die Mägde, die offt ohne Noth den Rocken nicht abspinnen,

Drum hat sie diesen klugen Fund auch müssen so ersinnen.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 239-241.
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