Das 39. Capitel.
Wer keine verzagte Kinder haben will / da soll der Vater / stracks nach der Tauffe / dem Kinde ein Schwerdt in die Hand geben / so sind sie stets kühne u. behertzt.

[241] Seht da! kommen die Helden daher? Die Männer hätten sich dieses Kunst-Stückgen wohl nimmermehr so aussinnen können, wenn die klugen Weiber mit ihrer Weißheit nicht mit wären beyräthig gewesen. Mich wundert derowegen, daß bey so vielen Kriegs Verfassungen und Berathschlagungen man nicht Weiber-Rath mit untermengt, vielleicht wären schon längst alle Feinde aus dem Römischen Reich verjaget worden. Man gedencke nur, mit was für einer Weißheit sie ihre Kinder alsobald, da sie kaum 2. Tage alt sind, können zu Helden-müthigen Rittern machen! Sie reitzen ihre Männer an, daß sie unter dem alten Eisen einen alten verrosteten Sebel oder Rauff-Degen hervor suchen müssen, (denn vor den polirten und scharffen fürchten sich die Frau Wöchnerinnen selbst) diese alte und stumpffe Plempe müssen die gehorsamen Männer nehmen, und ihren neugebohrnen Printzen in die Hände geben, und also ist der neue Ritter fertig, und fürchtet sich vor niemanden, ausser wenn etwa Frau Wöchnerin starck nieset, da erschrickt der arme junge Fincken-Ritter / daß er das Fresel davon kriegt / und schüttet alle seine courage in die Windel, daß also der Heldenmuth auf einmahl in Koth verwandelt wird.[242] Wenn ich meine Gedancken über diese Narrethey offenhertzig entdecken soll, so vermeyne ich, daß sich die Eltern bey practicirung dieses Puncts, in Beobachtung ihrer Kinder Wohlfahrt, sehr heydnisch (will nicht sagen teufelisch) erweisen. Denn eines theils sind sie der Sache ungewiß, daß auf oben angeführte ceremonien ihre Kinder so behertz werden sollen; andern theis, wenn ja die Sache, nach ihrer Einbildung, richtig einträffe, so möchten sie doch bedencken, daß sie hiermit ihrem Kinde nicht den geringsten Vortheil zuwege brächten; denn ein kühner Mensch giebt sich in Gefahr, und wer sich ohne Noth in Gefahr begiebt, der kömmt darinnen um. Was hat ein behertztes wildes Schwein davon vor Vortheil, wenn es dem Jäger unerschrocken in Spieß laufft, und daran todt bleibt? Wäre mancher Narr, der nicht weiß / wie edel das Leben ist, nicht so dumm kühne, es würde mit seinem Ende reputirlicher, und mit dem Abschiede seiner Seelen vom Leibe seeliger zugehen. Ich gestehe, daß wenn ich diesem ietzt vorhabenden Puncte Glauben zustellete, und solchen an einem meiner Kinder probiret hätte, so würde ich mir tausenderley scrupel darüber machen, als hätte ich mein Kind damit verwahrloset / daß es keines reinen Todes sterben würde; denn es sagt die Schrifft und unser Heyland selbst: Wer das Schwerdt nimmt / (verstehe, dem es nicht gehöret,) der soll durchs Schwerdt umkommen. Nun gehöret denen Kindern von ein- zwey- biß drey Jahren kein Schwerdt; weil ihnen aber die Eltern solche, aus einem heydnischen[243] Aberglauben, dennoch in die Hände geben, was vermeynet ein vernünfftiger Christ wohl, was GOtt, nach seiner Gerechtigkeit, um der Eltern angefangenen und der Kinder fortgesetzten Boßheit willen hierbey verhängen werde? Ich besorge leider! das schlimme, das sich die tollkühnen Kerl erwählen, wird ihnen zu ihrem Schaden auch werden. Es heist: Seelig sind die Friedfertigen, etc. Ich habe aber noch wenig kühne, verwegene und behertzte Leute gekennet, die darneben auch friedfertig gewesen wären. Aus dieser Vorstellung nun wird hoffendlich ein jeder sich so viel zur Uberlegung nehmen können, daß er auf diese Art keine kühne Helden aus seinen Kindern zu ziehen wird Beliebung tragen.


Wer auf diese Weise sich Helden will machen,

Der wird müssen leiden, daß man seine Sachen

Vergleicht mir Hanß Wursten, der alle Untugend

Der Kinder kan loben, und was in der Jugend

Die Söhngen verüben, das kan er fein heissen:

Prav huren, prav spielen, prav balgen, prav schmeissen,

Und da seine Buben prav Kerlen abgeben,

Das siehet ein jeder am üppigen Leben.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 241-244.
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