Das 40. Capitel.
So bald ein Knäblein gebohren ist / soll man es mit den Füssen an seines Vaters Brust stossen / so soll es nimmermehr kein bös Ende nehmen.

[244] Diese und dergleichen Possen und Aberglauben scheinen zwar von schlechter Wichtigkeit zu seyn, u. wenigzu bedeuten zu haben, indem sich[244] der hunderte nicht einbilden mag / daß etwas böses hieraus erwachsen möge. Alleine, was der Teufel mit solchen Dingen vor einen unglaublichen Gewinn schaffe, dürffte mancher abergläubischer Mensch wohl zu spät mit unüberwindlichen Schaden innen werden. Es werden zwar wohl die meisten sagen: Was denn damit böses geschehe, wenn man ein Kind mit den Füssen an des Vaters Brust stiesse? So sey ja auch das Absehen, warum es geschehe, gut, daß das Kind nicht etwan eines bösen Todes sterben möchte. Ja, es lässet sich dieses zwar hören, und scheinet wahr zu seyn; aber es verhält sich die Sache viel anders, als der äusserliche Schein und Klang ist. Denn ists nicht wahr, ihr seyd erstlich nicht gewiß versichert, daß hierdurch eure Kinder eines schmählichen Todes werden befreyet bleiben? so ist es desto schlimmer; denn ihr, und auch die Söhne, mit welchen ihr solche Possen vorgenommen habt, verlasset euch hierauf, und begehet damit grosse Abgötterey, setzet darneben die Regierung GOttes auf die Seite, und meynet, es habe auf keiner Seiten Noth. Wenn ihr aber solchem abgöttischen Wesen nicht nach hienget, so würdet ihr eure Kinder zu allerhand Christlichen Tugend-Wandel an-und von allem ruchlosen Leben abhalten, damit die Besorgung eines schmählichen Todes von sich selbst, durch GOttes Beystand, verschwinden könne. Ich will euch aber ferner melden, was ich für Besorgung bey exercirung dieses Aberglaubens hätte, wenn dergleichen mit meinem Kinde vorgenommen worden wäre, nehmlich:[245] Ich würde besorgen, daß / weil mein Kind, so bald es auf die Welt gekommen, einen GOTT mißfälligen Aberglauben zu vollziehen, mich, als seinen leiblichen Vater, mit Füssen auf das Hertz oder Brust treten müste, es hierdurch verwahrloset würde, daß es / nach seiner Erziehung, mich zu untertreten suchen, mir ungehorsam seyn, und alles gebrannte Hertzeleid anthun dürffte, dergleichen Exempel nicht ungemein sind; daß alsdenn an ihm erfüllet werden dürffte, was Sirach denen andeutet, die ihre Eltern verspotten und verachten, nehmlich: Ihnen sollen die Raben die Augen am Bach aushacken, und die jungen Adler fressen. Bey welchem Zufall denn die Hoffnung, die durch practicirung ietzt vorhabenden Aberglaubens man sich gemacht hätte, gar einen erbärmlichen Aus gang gewinnen dürffte. Dahero wird ein redlicher Christ von solchem gefährlichen Teufels-Dienst ablassen, und seine Kinder in der Furcht GOttes aufzuziehen wissen.


Wenn Eltern stracks das Gauckelspiel mit ihren Kindern treiben,

Die mögen sich hernacher auch die Ursach selbst zuschreiben,

Wenn GOtt verhängt, daß ihnen nicht die Kinder recht gerathen,

Gemeiniglich der Sohn sich hält nach seines Vaters Thaten.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 244-246.
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