Das 74. Capitel.
Wenn man Abends zu Bette gehet und löschet das Licht aus / soll man dasselbe ja nicht umgekehrt aus dem Leuchter stecken lassen; denn woferne sonst dieselbe Nacht Diebe ins Hauß kämen / könte niemand vom Schlaff erwachen.

[309] Ich will zwar den übeln Gebrauch nicht billigen, den manche Leute haben, wenn sie ein Licht auslöschen, daß sie das Licht umkehren, und mit der Schnuppe in der Tillen stecken, und also kalt werden lassen, weil ich wohl begreiffen kan, was zuweilen vor Ungelegenheit daher entstehen kan, wenn nehmlich auf diese Art ein Licht ausgelöschet / und also umgekehrt ist stecken geblieben, so schmiltzt das warme Unschlit oder Talg in der Tillen um die Schnuppe oder den Dacht / und wenn es kalt wird / so gerinnet es zusammen, und steckt alsdenn das verkehrte Licht so feste in dem Leuchter, daß man es im Fall der Noth, wenn man es bey entstehenden Brande und Feuers-Gefahr, oder auch bey Einbrechung der Diebe / am geschwindesten anzünden will, nicht einmahl von Leuchter nehmen kan. Und wenn man es ja gleich mit Mühe und Noth endlich von Leuchter bringet, so kan man es doch so geschwinde nicht anzünden, weil der um die Schnuppe hangende[309] häuffige Talg verhindert, daß der Dacht so bald nicht anbrennen kan; welches denn wahrhafftig eine garstige und zuweilen grosse Gefahr verursachende Gewohnheit ist die sich billich iederman, der sie im Gebrauch hat, abgewöhnen solte. Und dieses ist also das Ubel / was ein umgekehrt Licht in der Nacht nach sich ziehen kan. Daß es aber ferner die Würckung haben solle, daß, bey Einbrechung der Diebe, die schlaffenden Leute im Hause nicht könten erwachen, so lange das Licht so umgekehrt stecket, ist ohne Zweifel ein Sonnenklarer Aberglaube. Denn ob man gleich, aus der mehrmahligen Erfahrung / so viel hat, daß zuweilen unter denen Mördern und Ertz-Dieben auch wohl solche gefunden werden, welche mit der schwartzen Kunst und Zauberey auch herum springen, und damit so viel verschaffen können, daß die in einem Hause, allwo sie einfahren, schlaffende Leute nicht erwachen mögen, biß die Diebe ihre verfluchte Erndte gehalten haben; so ist doch das auf vorbeschriebene Art umgekehrte Licht keines weges eine hierzu mitwirckende Ursach, sintemahl bekannt ist, daß dergleichen Künste sind practicirt worden an solchen Orten, allwo kein umgekehrt Licht gestanden hat. Ja es sind theils Schelme in solchen Teufels-Künsten auch wohl so erfahren, daß sie, durch des Teufels Hülffe, verschaffen können, daß die Leute im Hause, ob sie gleich alle wachen, dennoch mit offenen Augen gantz stumm und erstarret ihre Kisten und Kasten müssen eröffnen und ausleeren lassen, und können sich weder regen noch wenden / biß die Galgen-Vögel hinweg[310] sind. Welche Schelmerey ja sicherlich eine weit andere hierzu würckende Ursach haben muß / als das elende umgekehrte Licht, davon die zauberhafften Nacht-Raben vorher nichts wissen / ob dergleichen im Hause sey oder nicht.


Ein umgekehrt und ausgelöschet Licht,

Verursacht zwar den harten Schlaff gar nicht,

Jedoch ist solch Auslöschen auch nicht sein,

Weil es auf manchen Fall kan schädlich seyn.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 309-311.
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