Das 75. Capitel.
Ein Knäblein / das gebohren wird / wenn Venus Morgen-Stern ist / bekömmt ein viel jünger Weib /als er ist; ist aber Venus Abend-Stern / so bekömmt er ein älter Weib / als er ist / mit einem gebohrnen Mägdlein ist es aber das Gegenspiel.

[311] Daß der Stern oder Planet, welcher von denen abgöttischen Heyden ist mit dem Huren-Nahmen Venus benennet worden, solle einige Würckung bey denen Menschen haben, in ihrem Ehestande, oder in allen solchen Begebenheiten / was zur Ehe gezehlet werden mag, das lasse ich diejenigen glauben, welche viel auf Fabeln und Träume achten: Ich aber glaube, daß dieser Stern auch wohl an statt, daß er Venus heist, könte einen gantz andern Nahmen, welcher dem Nahmen Veneris gantz contrair wäre, mit eben dem Rechte haben / als ob er so viel hundert Jahr / aus angenommener abergläubischen Gewohnheit,[311] hat Venus geheissen. Denn von der Schöpffung an hat er diesen Nahmen nicht gehabt; so hat man ihn auch vom Anfang dergleichen närrische Würckung nicht zugeschrieben, als biß zu der Zeit, da sich die abgöttischen Heyden haben unterstanden, die Planeten und ansehnlichsten Himmels-Lichter mit denen Nahmen ihrer Abgötter zu bemercken, wodurch sie zugleich Gelegenheit genommen haben, das einfältige Volck zu bereden, ob wären ihre Götter mit unter die Zahl der Sternen gekommen. Nun kan ein vernünfftiger Mensch hieraus leicht schliessen, ob denen Sternen durch solche Benennung hat einige qualität derer Creaturen, davon sie benennet worden, mitgetheilet werden können. Ich meines Orts kan es so wenig glauben, als wenn man wolte fürgeben, so man einen Krebs mit dem Nahmen Blitz benennete, so bekäme er die Eigenschafft so schnell fortzufahren, als der Blitz. Damit ich aber nicht zu weit von meinem Zweck abweiche, so komme ich wieder auf das Fürgeben, wenn geglaubet wird, ob würcke der Stern Venus anders zu der Zeit, da er Morgen-Stern sey, als da er Abend-Stern ist. Worgegen ich kurtz und rund heraus sage, solche Meynung sey falsch und erlogen. Und zwar verstehe ich hier nur seine Würckung, die ihm bey denen Menschen zu haben zugeschrieben werden will; denn ausser dem weiß ich gar wohl, daß ein Unterscheid zu machen sey unter dem Auf- und Untergange, und unter dem Stande der Planeten, welche dienen zu Zeiten, Zeichen, Tagen und Jahren; wiewohl hierbey[312] auch noch limitationes genug zu machen sind, in Erwegung, daß, was ein Planete gleich in hiesigen Landen nicht zu würcken scheinet, so thut er es doch in einem andern Lande; zum Exempel, wenn es bey uns Winter ist, so ist es in denen mittägigen Ländern Sommer, und wenn wir Sommer haben, so haben jene Winter; wenn die Sonne bey uns aufgehet / so gehet sie unsern Antipodibus unter, und ist also auf der eintzigen Erd-Kugel ohn Unterlaß Abend, Morgen, Mittag und Mitternacht, Sommer, Winter, Herbst und Frühling, und ist nur der Ort zu unterscheiden. Welche Betrachtungen feine Anleitung geben können, zu bedencken, wie daß bey GOtt, als welcher dieses alles regieret, kein Unterscheid der Zeit, ja weder Anfang noch Ende, sondern lauter stetswährende Ewigkeit sey. Was nun hier vom Auf- und Untergang der Sonnen gesagt worden, das ist von andern Planeten auch zu verstehen. Wenn demnach Venus uns aufgehend ist / so gehet er unsern Antipodibus unter, und so fort; und mag er gleich Abend-Stern heissen, so hat er ja am Morgen eben auch am Himmel gestanden, wie zu Abend und so fort. Ober nun ein Jahr hinter oder vor der Sonnen herwandert, wird er in seiner Würckung gegen die Menschen keine Veränderung machen, und sonderlich auf eine so albre Weise, daß er in einem Menschen so / in einem andern anders würcken solle; und kommt so thöricht heraus, als ob einer vorgeben wolte, die Sonne erwärmet die Knäblein, macht aber die Mägdlein frostig und kalt, und zwar zu einer[313] Zeit. Dahero ja Venus nicht bey denen Knäblein anders, als bey denen Mägdlein, wird würcken können, sonst müste weiter folgen, daß dasjenige, was ein Knäblein sättigte, ein Mägdlein dargegen hungrig machte. Ferner möchten doch die Planeten-Leser bedencken, daß offt wohl Leute einander heyrathen, welche in einem Alter stegen; welches ja Sonnen-klar beweiset, daß dieser vorhabende Aberglauben erlogen seyn müsse, sonst würde sich nimmermehr dergleichen Heyrath begeben können. Endlich ist es auch nichts neues, daß ein Mann, der zur Zeit / als Venus Morgen-Stern gewesen, gebohren ist, ein alt Weib heyrathet. Oder es trägt sich zu, daß einer ein Weib bekömmt, welches zu einer Zeit gebohren, da Venus Abend-Stern gewesen, da er doch gebohren, da Venus Morgen-Stern war, und so fort: Welches ja alles Dinge sind, die schnurstracks der Planeten-Leser ihre principia übern Haussen werffen. Ja es könten diese chosen gar leichte weitläufftiger widerleget werden, wenn man sich nicht der Kürtze zu bedienen hätte. Ich hoffe aber, daß, wer ein klein Füncklein gesunder Vernunfft noch besitzet, wird selbst begreiffen, was Fabeln oder Wahrheit sey.


Wenn man die Planeten

Machet zu Propheten,

So wird man betrogen;

Denn es ist erlogen,

Was Paneten-Leser sagen,

Das sich künfftig soll zutragen.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 311-314.
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