Das 84. Capitel.
Wer kein Glück zum Flachs hat, der soll ein wenig Lein stehlen / und solchen unter seinen Lein mengen und säen / so wird er gut Glück haben.

[163] Da trifft dann hernach das Sprichwort ein: der oder die / hat recht Diebs-Glück. Es folgt aber auch wohl drauf ein Diebs-Strick. Mein lieber Lein-Dieb! bedencke[163] doch um GOttes willen / wer denn dir das Gedeyen zu dem Wachsthum deines Flachses geben muß? dieses kan ja niemand / ja keine einige Creatur unter der Sonnen / als allein der einige wahre GOtt thun; fürwahr / dein Hr. Teufel / dem du mit deinem abergläubischen Lein-stehlen hofirest / kan dir nicht einmahl eine Nessel oder Distel / geschweige etwas Gutes aus der Erden bringen; denn der prahligte Lumpenhund kan ja keine Lauß machen / wie bey denen Egyptischen Zauberern zu ersehen. Des Satans Verrichtung ist nur aufs Verderben gerichtet / aber Gutes kan er nicht schaffen. Du wirst zwar hierbey einwenden: was denn der Teufel bey deinem Lein-säen zu thun hätte? und warum ich denn mit dem Teufel aufgezogen käme. Antwort: allerdings; wenn du dein Lein-säen auf solche Art vornimmst / da du Lein stiehlest und untermengest / und glaubest / es werde deswegen dein Flachs besser gerathen als sonst / so kan es nicht anders seyn / der Satan muß deine Arbeit dirigiren / denn es kan ohnmöglich auf diese weise in GOttes Nahmen / als welcher das Stehlen verboten hat / geschehen / sondern es geschicht in dessen Nahmen dem du dienest / und an den du gläubst. Nun aber dienet ja ein Dieb allezeit / wenn er stiehlt / dem Teufel. Ergo, so mache du nun[164] den Schluß selbst /wem du denn dienest / wenn du Lein stiehlest; und dann kanst du ferner erwegen / wer dir vor deinem Diebsdienst lohnen werde. Wollest du aber einwenden: es wär einmahl so eingeführt / und nehme es der Freund / dem du den Lein gestohlen hättest / nicht so genau / sondern machte es dir eben wieder so / wenn er Lein säete etc. so glaube nur / daß es desto schlimmer ist / so ein Laster in die Gewohnheit kömmt. Uber dieses / so entstehet noch ein groß Aergerniß dabey / wenn es deine Kinder sehen und hören; und pflantzestu nebst deinem Flachs / dem Satan zu Liebe / unendliches Unkraut unter deine Kinder / um welches Aergernisses willen aber Christus das Weh über dich schreyet. Nun dencke recht nach / worinnen dein eingebildet Glück bestehe? wenn noch eine Christl. Ader in deinem Leibe ist / wirst du gewiß dieses Glücks nicht begehren.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. Band 2, Chemnitz 1722 [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 163-165.
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