[4] CHOR DER SCHIFFER.
Das wär' kein rechter Schiffersknecht,
Der sich vor'm Wasser fürchten möcht,
Nur d'rauf und d'ran,
Vertrau' dem Kahn
Auf schwanker Bahn
Dich sorglos an! Holla Hoh! Holla Hoh!
Entrée–Couplet.
BARINKAY.
I.
Als flotter Geist, doch früh verwaist,
Hab' ich die halbe Welt durchreist,
Factotum war ich erst, und wie!
Bei einer grande ménagerie!
Vom Wallfisch bis zum Goldfasan
Ist mir das Thierreich unterthan:
Es schmeichelt mir die Klapperschlange,
Das Nashorn streichelt mir die Wange,
Der Löwe kriecht vor mir im Sand,[4]
Der Tiger frißt mir aus der Hand,
»Per Du« bin ich mit der Hyäne,
Dem Krokodil reiß' ich die Zähne,
Der Elefant mengt in der Schüssel
Mir den Salat mit seinem Rüssel –
Ja, das Alles auf Ehr,
Das kann ich und noch mehr,
Wenn man's kann ungefähr,
Ist's nicht schwer – ist's nicht schwer!
CHOR.
Ja, das Alles auf Ehr',
Das kann er und noch mehr,
Wenn man's kann ungefähr,
Ist's nicht schwer!
BARINKAY.
II.
Mit Raritäten reist' ich dann
Als Akrobat und Wundermann,
Bis ich zuletzt Gehilfe gar
Bei einem Hexenmeister war!
In meinem schwarzen Zauberkreis
Citir' ich Geister dutzendweis'
Bin passionirter Feuerfresser,
Und zur Verdauung schluck' ich Messer, –
Ich balancir' wie Japanesen,
Changire – noch nicht dagewesen!
In Kartenkünsten bin ich groß,
Im Volteschlagen grandios!
Ich bin ein Zaub'rer von Bedeutung
Und
Die Aermel aufschürzend.
Alles ohne Vorbereitung!
Ja, Changeur und Jongleur,
Prestidigitateur,
Wenn man's kann ungefähr,
Ist's nicht schwer – ist's nicht schwer!
CHOR.
Ja, Changeur und Jongleur,
Prestidigitateur,
Wenn man's kann ungefähr,
Ist's nicht schwer – ist's nicht schwer!
[5] Ensemble.
So täuschte mich die Ahnung nicht –
Ich wußt es ja!
BARINKAY.
Was sie nur spricht!
CARNERO.
Zum Teufel – wer hat Dir gesagt –?
CZIPRA.
Die Karten habe ich befragt –
SAFFI erscheint am Fenster.
Hör' Mutter – wer ist jener Mann?
CZIPRA.
Zurück! – Was ficht Dich Mädchen an?
SAFFI.
Bezaubernd wirkt auf mich sein Blick –
CZIPRA streng zurückweisend.
Zieh in die Hütte Dich zurück!
BARINKAY.
Wenn Dir die Zukunft offenbar,
So mach' auch mir mein Schicksal klar –
CZIPRA.
So reicht mir die Hand! –
»Bald wird man Dich viel umwerben,
Reiche Schätze sollst Du erben,
Wenn Du ein Weibchen heimgeführt,
Das Dich liebt, das Dir gebührt –
Und es wird ein Traum ihr künden,
Wo die Schätze sind zu finden,
Gleich nach der Brautnacht frage sie,
Wo Du sie suchen sollst, und wie!
Merke Dir wohl und vergiß es nie,
Gleich nach der Brautnacht frage sie!«
CARNERO lachend zu Barinkay.
Zum Reichthum gratulir' ich Euch!
Zu Czipra.
Nun prophezeih' auch mir sogleich![6]
CZIPRA.
Ja wohl – sogleich!
»Verloren hast Du einen Schatz,
Der war so mager wie ein Spatz, –
Nicht lange währt's, Du findest was,
So rund wie ein Zehneimerfaß!
Ein Kleinod, das Dir einst entschwand –
Viel größer nicht als Deine Hand,
Du find'st es bald, so schmal und schlank,
So lang wie eine Hopfenstang'!
Hihihihi – hihihihi!
Nicht lange währt's, Du findest was –
Hihihihi – hihihihi!
Rund wie ein Zehneimerfaß – o Spaß! –
Hihihihi – hihihihi!
Auch noch ein Zweites, merk' Dir das,
Es ist so schmal, es ist so lang,
Wie eine Hopfenstang' – hihi!
Es ist so schmal, – es ist so lang,
Wie eine Hopfenstang' – hihi! –«
CARNERO.
Das, Alte, schreib' Dir hinter's Ohr,
Daß einen Schatz ich nie verlor!
Genug der Wahrsagerei!
Nun, Alte, rasch herbei;
Und unterschreibe hier
Als Zeuge dies Papier!
Indeß als Zeuge Nummer zwei
Holt mir den Zsupán schnell herbei.
CZIPRA.
Ach, mit dem Schreiben geht's wohl schwer!
CARNERO.
So kritzle rasch ein Kreuz hierher!
Als Zeugin hier – auf diesen Act!
Nur zu! – es ist kein Teufelspact!
BARINKAY.
So thu's!
CZIPRA.
Du befiehlst, ich muß!
Unterschreibt.
[7]
CARNERO.
Ha – seht dies Kreuz! Ein Drudenfuß!! –
CHOR.
Ein Drudenfuß! Hahaha!
CZIPRA.
Keine and're Schrift ist mir zu eigen!
Hahaha!
Buchempfehlung
In ihrem ersten Roman ergreift die Autorin das Wort für die jüdische Emanzipation und setzt sich mit dem Thema arrangierter Vernunftehen auseinander. Eine damals weit verbreitete Praxis, der Fanny Lewald selber nur knapp entgehen konnte.
82 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro