Erster Gesang

1.

So kühlst du denn mit lauen Lenzesschwingen,

Genesung, heut mir Brust und Angesicht,

Und siegend steigt aus trüben Wolkenringen,

Ein klarer Mond, des Lebens heitres Licht,

Nicht kann ich jetzt zurück die Blüthe zwingen,

Die neubelebt aus voller Knospe bricht,

Um wunderbar in lieblichen Gestalten

Durch alle Welt die Blätter zu entfalten.


2.

Denn wie empor an blauen Himmelshöhen

Mit meiner Kraft zugleich die Sonne schwebt,

Und weit hinweg die dunkeln Wolken wehen,

Die dort das Licht, wie mich das Leid, umwebt,

Läßt sich auch mir die Welt von neuem sehen,

Wie einst ihr Bild in meiner Brust gelebt;

Die Strahlen, die, mir lang verschleiert, schliefen,

Erwachen hell in ihren heil'gen Tiefen.
[243]

3.

Und jenen Geist, der aus verschwiegnen Quellen

Durch alles Seyn sich schöpferisch ergießt,

Durch den Gestalt und Leben sich gesellen

Und todtem Wort ein blüh'ndes Bild entsprießt,

Ihn, der so hold aus Wolken und aus Wellen,

Aus Wies' und Wald mit leisem Ton uns grüßt,

Sein Walten kann, wie einst in schönern Zeiten,

Noch einmal jetzt mein Sinn verstehn und deuten.


4.

Hier ruft der Hain mit tausend holden Stimmen,

Mit Klang und Duft mich in sein gastlich Haus,

Die Wölkchen, die durch helle Lüfte schwimmen,

Ziehn lustig dort auf ferne Reisen aus.

Ich seh die Lieb' in allen Blüthen glimmen,

Den Schönen schmückt die Wiese sich zum Strauß,

Die Rose birgt in ihrer zarten Hülle

Mit mehr der Lust der Schmerzen süße Fülle.


5.

Das Gärtchen auch, das dort, mir halb verborgen

Und halb enthüllt, so holde Blumen trägt,

Das all mein Glück und alle meine Sorgen

Mir oft so nah' im engen Raum umhegt,

Der theure Ort, wo sie auch diesen Morgen

Mit zarter Müh die jüngern Schwestern pflegt,

Die, sanft berührt von ihren milden Händen,

Mir buntern Glanz und süß're Düfte senden;[244]

6.

Wie scheint es jetzt viel reicher sich zu schmücken,

Wie glänzt der Thau, wie prangen Farb' und Grün!

Wohl hat das Licht aus ihren klaren Blicken

So holden Reiz den Bildern dort verliehn.

Stets bunter will der Zauber mich umstricken,

Es wächs't der Raum, die engen Schranken fliehn,

Schon läßt dem Aug' ein weit Gefild sich sehen,

Mit Wald und Thal, mit Quellen, Au'n und Höhen.


7.

Und Jene dort, nicht weiß ich, ob's die Rose,

Die sie erzog, ob sie es selber ist,

Die schüchtern blüht, und unter zartem Moose

Den Dorn verhehlt, und doch ihn nie vergißt,

Die Liebliche, die zagend nur und lose

Der laue Hauch mit Geisterlippen küßt,

Indeß von fern die Schmetterlinge fliegen

Und mit dem Duft bescheiden sich begnügen;


8.

Sie scheint ein süß Geheimniß mir zu hegen,

Das tief im Schooß der zarten Blätter ruht;

Solch Leben kann sich nicht in Pflanzen regen,

Fühllosem nicht entwehn so holde Gluth;

Auch seh' ich wohl, daß Geister sie verpflegen,

Ihr Blühen steht in stiller Elfen Hut,

Die schöngeschmückt mit thaubenetzten Kronen

Im tiefsten Kelch als goldne Stäubchen wohnen.
[245]

9.

Und da ich nun den Blick zur Ferne richte,

In's bunte Thal und in den lichten Hain,

Erkenn' ich bald die freundliche Geschichte,

Weil ihren Strahl die Götter mir verleihn.

Von selber scheint zum zierlichen Gedichte

Sich Klang an Klang und Bild an Bild zu reihn,

Denn, wie es einst in ferner Zeit geschehen,

Das kann ich klar mit eignen Augen sehen.


10.

Das Königsschloß mit goldgeschmückten Zinnen

Erhebt sich dort am Hügel stolz und fest.

Nichts Schönes läßt im Traume sich ersinnen,

Was nicht sich dort noch schöner schauen läßt,

Allein das Schönste, wähn' ich fast, ist drinnen,

Aus Weihrauch baut der Phönix ja sein Nest,

Daß schon von fern der süße Duft uns lehre,

Welch edlem Herrn solch edles Haus gehöre.


11.

Und sieh, so ist's; denn in des Gartens Hallen

Erscheint es jetzt gleich einem Traumgesicht.

Zwölf Jungfraun sind's, doch weil' ich unter alten

Auf Einer nur, die andern acht' ich nicht;

Denn wie sich oft auf glänzenden Krystallen

Der Sonnenstrahl in sieben Farben bricht.

So ist in ihr das Licht vereint, und jene

Sind Strahlen nur vom Abglanz ihrer Schöne.
[246]

12.

Wohin doch wohl die vollen Rosen schwanden,

Die prangend dort mir ihren Kelch gezeigt,

Die Lilien, die dort so glänzend standen,

Die Veilchen auch, vom Thau so hell und feucht?

Ob Nymphen sie in bunte Kränze wanden?

Ob welkend schon ihr Haupt sich hingeneigt?

Jetzt seh' ich sie nur noch auf jenen Wangen,

Auf jener Stirn, in jenen Augen prangen.


13.

Weich hat ihr Haar in sanftgelockten Ringen

Ein goldnes Netz um Hals und Brust gewebt,

Ein Frühling scheint aus ihrem Blick zu dringen,

Deß frischer Quell in ihrem Busen lebt.

Wie lieblich mag die zarte Stimme klingen,

Weil sie vom Hauch so holder Lippen bebt,

Die unentweiht, gleich halbentkeimten Blüthen,

Nur erst im Traum, was Küsse sind, erriethen.

14.

Ein blau Gewand, das goldne Schleifen binden,

Hüllt faltenreich die schlanken Glieder ein:

Doch was mir Haupt und Arm und Brust verkünden,

Mag mir ein Bild der stillern Reize seyn.

Kein Meißel kann so reiche Formen ründen,

So züchtig glänzt kein Schnee, kein Elfenbein;

Und, wenn nicht ganz die Augen mich betrügen,

Scheint leicht ihr Fuß auf Blumen sich zu wiegen.
[247]

15.

Von Anmuth ist ihr zartes Bild umflossen,

Wie unsichtbar dem Kelch der Duft entquillt;

Kein Thränlein hat dies Auge noch vergossen,

Das nicht auch gleich ein Lächeln schon gestillt;

Wenn in der Brust auch leise Wünsche sprossen,

Noch haben kaum die Knospen sich enthüllt,

Noch ahnt sie nicht, daß auch in ihrem Herzen

Ein Quell sich birgt von Sorg' und süßen Schmerzen.


16.

Wohl Mancher mag die weiße Ros' erheben,

Die still im Schooß den keuschen Frieden trägt:

Ich werde stets den Preis der rothen geben,

Aus welcher hell des Gottes Flamme schlägt.

So feuchten Glanz, solch glühend Liebesleben,

So lauen Duft, der Sehnsucht weckt und hegt,

Solch kämpfend Weh, vehüllt in tiefe Röthe,

Ich acht' es süß, ob's auch verzehr' und tödte.


17.

Drum wähn' ich auch, wenn einst in jener Schönen

Aus leisem Schlaf das reiche Herz erwacht,

Wenn Wahn und Furcht, wenn Hoffnung, Wunsch und Sehnen

Ihr siegend nahn mit wandelbarer Macht,

Wenn Freud' und Schmerz von einer Saite tönen,

In einem Traum ihr Auge weint und lacht.

Erst dann wird ganz ihr Reiz von lauen Wehen

Der Lieb' umspielt, in voller Blüthe stehen.
[248]

18.

Doch während nun die holde Schaar im Kühlen

Sich an den Rand der klaren Quelle setzt,

Und Jene dort mit zarten Blumen spielen,

Und Die am Lied der Vögel sich ergötzt,

Doch Manche still mit Träumen und Gefühlen

Den Gott ernährt, der heimlich sie verletzt,

Verlass' ich sie, um unter Blüthenzweigen

Des Schlosses Marmortreppen zu ersteigen.


19.

Leontes ist's, der hier auf mächt'gem Throne

Das Scepter führt mit väterlicher Hand.

Ihm hat Astolf das Kleinod seiner Krone,

Sein einz'ges Kind, Klotilden, jüngst gesandt,

Daß sie geschützt in seinen Mauern wohne,

Bis er vom Feind befreie Leut' und Land,

Der plötzlich ihn mit wilden Kriegeswogen

Aus altem Haß verderblich überzogen.


20.

Gern hat der Fürst das holde Pfand genommen,

Der Vater war als Waffenfreund ihm werth;

Auch schien ihm selbst ein neues Licht entglommen,

Weil er schon lang den eignen Sohn entbehrt;

Und Jene, die als Mittlerin gekommen

Und für den Freund den Liebesdienst begehrt,

War heimlich ihm seit frühen Jugendstunden

Mit süßem Band und theurem Schwur verbunden.
[249]

21.

Denn als gesellt dem kühnen Ritterstande

Leontes noch auf Abenteuer zog,

Und jugendlich durch manche fernen Lande

Der edle Ruhm von seinen Thaten flog,

Da kam er einst zum weiten Meeresstrande,

Wo ihn zu ruhn die kühle Nacht bewog.

Er ließ sein Roß am grünen Ufer grasen

Und lagerte sich auf den weichen Rasen.


22.

Doch hatt' er noch die Augen nicht geschlossen,

Als plötzlich ihm ein lieblich Bild erschien.

Er sah das Meer von bunten Blumen sprossen,

In Strahlen schwamm der Wellen dunkles Grün,

Ein süßer Klang kam durch die Luft geflossen,

Wie um's Gebirg' oft leichte Nebel ziehn,

Ein holder Duft, wie von den sel'gen Höhen

Des Libanon, begann umherzuwehen.


23.

Dann nahte sich auf sanftgetheilten Wogen

Ein glattes Schiff dem blumenreichen Strand;

Wie lustig auch die seidnen Wimpel flogen,

Wie leicht die Luft das Segel auch gespannt,

Doch ward es sanft von Schwänen fortgezogen,

Um deren Hals ein goldner Zaum sich wand.

Aus Ebenholz erglänzten Mast und Stangen,

Von Elfenbein schien Bord und Kiel zu prangen.
[250]

24.

Ein heller Kranz von leuchtenden Rubinen

Schloß dichtgereiht den Rand des Schiffes ein,

Und lieblich schwamm, wie eine Ros' im Grünen,

Sein schönes Bild im irren Wellenschein.

Zu Tauen sah man zarte Seide dienen,

Der Anker schien ein goldner Pfeil zu seyn,

Und schön geschnitzt hob auf des Schiffes Spiegel

Der Liebesgott die rosenfarb'nen Flügel.


25.

Mit blondem Haar und jugendlichen Wangen

Saß um den Bord ein Nymphenkreis gereiht,

Die in der Hand die Silberruder schwangen

Mit leichter Müh', im anmuthvollen Streit.

Sanft zitterte das stille Meer, es klangen

Vom leisen Schlag die Wogen weit und breit,

Als sey, beseelt zu lieblichen Accorden,

Die stumme Fluth ein Harfenspiel geworden.


26.

Ein Baldachin entfaltete sich droben

Aus hellem Gold und zartem Himmelblau,

Und drunter saß, von leichtem Flor umwoben,

Auf reichem Thron die allerschönste Frau.

Nichts frommt es mir, der Augen Glanz zu loben,

Den süßen Mund, der Glieder schlanken Bau;

Ihr holdes Bild trägt auf der Welt nur Eine,

Und wer sie kennt, versteht es, was ich meine.
[251]

27.

Ein schmaler Reif von hellen Diamanten

Umgab ihr Haupt mit zauberischem Licht,

Und leicht umfloß mit reichgestickten Kanten

Ein zarter Flor ihr blüh'ndes Angesicht;

Allein den Strahl, den ihre Blicke sandten,

Verbürge selbst der Isis Schleier nicht.

Der eine Arm lag auf des Thrones Lehne,

Der andre hielt an goldnen Band die Schwäne.


28.

Janthe war's, die durch die glatten Pfade

Des Meeres zog im stillen Mondenschein.

Oft pflegte hier am mitternächt'gen Bade

Mit ihrer Schaar die Fee sich zu erfreun,

Denn schattig wob um's friedliche Gestade

Sich hier im Kreis' ein blüthenreicher Hain,

Aus dessen Schooß, von Rosen eingeschlossen,

In diese Bucht viel klare Quellen flossen.


29.

Als nun die Fee dem glatten Schiff entstiegen,

Fand sie am Quell, dem Meeresstrande nah,

Im frischen Grün den jungen Ritter liegen,

Der süß erstaunt das holde Schauspiel sah.

Er wähnte längst in Träumen sich zu wiegen,

Und glaubte nicht, was um ihn her geschah.

Kaum ließ sein Mund den leisen Athem hören,

Aus Furcht, das zarte Luftgebild zu stören.[252]

30.

Noch blüht' er hold in seinen jungen Tagen,

Sein Haar war blond, die Lippe sanft geschwellt,

Ein kühnes Herz schien diese Brust zu tragen,

Und Mild' und Kraft auf dieser Stirn gesellt.

Wohl mochte man beim ersten Anblick fragen:

Ist dies Apoll, der Hirt, ist's Mars, der Held?

Doch sah man bald, daß solch ein lichtes Auge

Zum Leuchten wohl, doch auch zum Blitzen tauge.


31.

Kaum hatte jetzt das Feenkind Janthe

Den hellen Blick auf ihren Gast geneigt,

Als rasche Gluth in ihrer Brust entbrannte,

Die früher nie der Liebe Pfeil erreicht.

Bald in die Höh', bald auf den Boden wandte

Ihr Auge sich von süßen Thränen feucht,

Die, tief geweckt von heimlichem Verlangen,

Ihr unbewußt durch ihre Wimpern drangen.


32.

Ihr Busen stieg, wie sanft im schwülen Wehen

Der Sommerluft ein weißes Segel schwillt,

Die Wange war wie Purpur anzusehen,

Mit irrem Licht ihr feuchtes Aug' erfüllt.

Zu eilen schien ihr Fuß, und doch zu stehen;

So täuscht uns oft ein wandelnd Marmorbild.

Wie Perlen oft aus ros'gem Wein sich heben,

Sah man den Kuß auf ihren Lippen schweben,
[253]

33.

Und wenn auch jüngst, seit an Armidens Blicken

Rinaldo's Kraft sich schwelgerisch verzehrt,

Mit Liebeshuld die Menschen zu beglücken

Des Schicksals Schluß den Feien streng verwehrt,

Janthe ließ sich von dem Netz umstricken,

Womit sie selbst so Manchen sonst bethört.

Mag ew'ges Leid die kurze Lust auch rächen,

Sie zaudert nicht, die süße Frucht zu brechen.


34.

Sie steht, sie schwankt, sie hebt den Fuß, sie schreitet

Mit leisem Schritt dem Ritter zu, sie naht.

Ob auch die Furcht noch mit der Liebe streitet.

Ein glühend Herz gibt nimmer sichern Rath.

Kein Wunder ist's, wenn Amor irr' uns leitet,

Der blinde Gott kennt selber nicht den Pfad,

Doch täuscht er uns mit lieblichem Gekose

Und lügt uns dreist den Stachel oft zur Rose.


35.

Schon steht die Fee mit holdverschämten Schweigen

Vor ihrem Gast, und lächelt leis' und mild;

Dann sieht man sie zu ihm sich niederneigen,

Daß wallend ihn ihr goldnes Haar umhüllt.

So senkt sich oft an schlanken Waldeszweigen

Die volle Frucht, die reich an Süße schwillt.

Mit scheuem Ton, der von dem holden Zagen

Des Herzens bebt, beginnt sie so zu fragen:
[254]

36.

Wer führte dich zum fernen Zauberlande,

Zu dem der Fuß der Menschen nimmer dringt?

Mein ist die Luft, der Grund an diesem Strande,

Und mein der Raub, den hier die Welle bringt.

Drum feßl' ich dich mit diesem goldnen Bande,

Das weich sich schon um deinen Nacken schlingt,

Und werde streng als Herrin mit dir schalten,

Bis ich von dir der Freiheit Preis erhalten.


37.

Wohl scheinst du dich vor vielen zu erheben

An edlem Stamm, an fürstlich hohem Sinn,

Drum sollst du mir die reichste Lösung geben;

Für Schlechte nur ist jeder Preis Gewinn.

So nehm' ich denn dein Herz, dein Blut, dein Leben,

Dein Glück, dein Leid, dich selber nehm' ich hin

Und halte dich mit süßem Band so lange,

Bis ich für dich dich selbst zum Preis empfange.


38.

So sprach die Fee; und Mienen, Blick' und Winke,

Dem holden Wort bedeutend zugesellt,

Verkündeten, wie nah die Frucht schon blinke,

Die sonst so schwer und oft so spät erst fällt.

Als ob herab der Himmel auf ihn sinke,

Umarmte jetzt sein rasches Glück der Held,

Und sollt' auch tief die Erde rings sich spalten,

Er würd' es fest in starken Armen halten.
[255]

39.

Und hättet ihr der Wangen helle Flammen,

Die zarte Brust, bewegt von Amors Wehn,

Die Augen, die in süßem Taumel schwammen,

Den Mund, der sanft zum Kusse schwoll, gesehn,

Dann würdet ihr den Ritter nicht verdammen;

Wie kann der Mensch den Göttern widerstehn?

Und füllt uns auch der schadenfrohe Knabe

Den Kelch mit Gift, wir segnen seine Gabe.


40.

Wohl ist es süß, im Schatten einer Linde

Mit seiner Braut zu ruhn im zarten Grün,

Und schäferlich in jedes Baumes Rinde

Verschlungne Züg' in stillem Traum zu ziehn:

Doch süßer ist's, mit einem Götterkinde

In reicher Lieb' und neuer Lust zu glühn.

Wenn auch das Licht aus ihren sel'gen Blicken

Den Schmuck beschämt, er scheint sie doch zu schmücken.


41.

Bald nahte jetzt mit hochgefärbten Wangen

Das schöne Paar des Schiffs bekränztem Bord.

Das Segel schwoll, die leichten Ruder klangen,

Sanft wiegte sich die Schwanenbarke fort,

Und durch das Lied, das ihre Nymphen sangen,

Stahl süß sich oft Janthens holdes Wort,

Ein goldner Pfeil verhüllt von Blumenbanden,

Vernommen kaum und dennoch stets verstanden.
[256]

42.

Noch hat der Mond mit seinem goldnen Heere

Sich in den Schooß der Welle nicht geneigt,

Als nahe schon aus sanft erhelltem Meere

Mit weichem Strand ein holdes Eiland steigt,

Dem kaum der Sitz der freundlichen Cythere,

Der goldne Hain der Hesperiden gleicht.

Gleich einem Traum, halb deutlich, halb vom Wehen

Der Nacht verhüllt, ließ sich die Küste sehen.


43.

Doch als zuerst mit rosenhellen Flügeln

Das Lichtgespann der frühen Sonn' erschien,

Da sah man klar mit Grotten und mit Hügeln.

Mit Thal und Wald, mit Blumen und mit Grün,

Mit Wies' und Quell' und glatten Wasserspiegeln

Den sel'gen Strand in holder Mischung blühn.

Vom Duft des Hains, vom Lied der Nachtigallen

Schien Meer und Luft zu zittern und zu wallen.


44.

Die Lauben dort, die wildverschlungnen Hecken,

Der Bach, der hell von Fels zu Felsen springt,

Die Pfade, die mit irrem Lauf uns necken,

Die Grott' im Thal, von krausem Wein umringt,

Wohin die Ruh' uns friedlich zum Verstecken,

Die Lieb' uns oft zum schönern Finden winkt,

Dies alles steht im Traumbuch jeder Liebe

Viel reizender, als ich es je beschriebe.
[257]

45.

Ein sel'ges Jahr, gern gäb' ich all mein Leben

Für solch ein Jahr, für solche Stunde hin!

Sah flüchtig hier der Held vorüberschweben

Im süßen Dienst der holden Königin.

Schön mag die Perl' im Rosenkelche beben,

Doch schöner glänzt der Tropfen Thaus darin,

Und ist auch bald sein zarter Glanz zerflossen,

Nichts Süßres gibt's, als was du kurz genossen.


46.

Ein zartes Kind, ein Knab' in dem Janthe

Des Ritters Kraft und lichten Heldenblick,

In dem der Held Janthens Reiz erkannte,

Verrieth schon längst ihr süßverhohlnes Glück;

Da schlug die Stund', und seine Blitze wandte

Auf Beider Haupt das strafende Geschick.

O süße Lieb', o reizendes Verbrechen,

Dich wird an mir das Schicksal nimmer rächen!


47.

Einst, als das Paar in süßen Tändeleien

Des Knaben Stirn mit blüh'ndem Schmuck umwand,

Da nahte rasch die Königin der Feien

Auf Wolken sich dem zauberischen Strand,

Schon ferne schien ihr Flammenblick zu dräuen,

Hoch führte sie den Stab in mächt'ger Hand,

Die schöne Stirn, das helle Roth der Wangen

War feindlich jetzt von finstrer Nacht umfangen.
[258]

48.

Wie oft im Bach an tiefgesenkten Zweigen

Die Rose bebt, bewegt von Well' und Wind,

So sieht man jetzt Janthens Haupt sich neigen,

Da bleiche Furcht durch ihre Wangen rinnt.

Sie drückt in stiller Scham und bangem Schweigen

An ihre Brust das holdbekränzte Kind,

Rings um sie fließt des Haares goldne Fülle,

Daß es das Pfand der süßen Schuld verhülle.


49.

Doch ach, nichts hemmt die strafenden Gerichte

Der höchsten Macht, wenn ein Vergehn sie weckt!

Nicht kann das Kind, das nach dem hellen Lichte

Der Königin die kleinen Hände streckt,

Und nicht die Angst, die bleich im Angesichte

Der Mutter schwebt, und jeden Zug versteckt,

Und nicht der Reiz in ihres Freundes Mienen,

Ob er die Schuld auch mildre, sie versühnen.


50.

Und so begann die Königin zu sprechen:

Wohl hast du schlimm dein leichtes Herz bewacht;

Drum klage nicht, wenn sich die Gluthen rächen,

Die du ja selbst verwegen angefacht.

Der Knabe dort, der deine stillen Schwächen

So deutlich mir und dir so deutlich macht,

Der Sünde Preis, der wechselnd dein Gewissen

Erweckt und täuscht, er sey dir jetzt entrissen.
[259]

51.

Und so wie du mit ordnungslosem Streben

Dir einen Herrn aus niederm Kreis' erwählt,

So lieb' auch er ein fremdgeartet Leben,

Das träumend nur ein stummer Geist beseelt;

Und eher nicht sey dir die Schuld vergeben,

Bis er versöhnt, was du im Wahn gefehlt,

Und durch die Kraft der reichen Brust nach oben,

Das was er liebt, zu seinem Kreis' erhoben.


52.

Als so die Fee den dunkeln Spruch verkündet,

Umschlingt sie auch den zarten Knaben schon,

Der weinend sich in ihren Armen windet,

Und steigt zurück auf ihren Wolkenthron.

Die Lüft'chen wehn, der leichte Wagen schwindet,

Schon ist das Kind Janthens Blick entflohn;

Nichts bleibt ihr jetzt von ihren Freuden allen,

Als jener Kranz, der ihm im Fliehn entfallen.


53.

Und tief betrübt, versenkt in düstres Schweigen,

Mit hartem Stahl, statt weichen Schmucks, geziert,

Muß weinend jetzt der Held das Schiff besteigen,

Das ihn so froh an diesen Strand geführt.

Die Seufzer nur, die feuchten Blicke zeigen,

Was er mit ihr, was sie mit ihm verliert,

Doch keiner will mit lauten Trennungsklagen

Des Himmels Zorn noch mehr zu reizen wagen.
[260]

54.

O bittres Loos! Wohl hab' ich nie beim Scheiden

So tiefes Weh, so harten Zwang gewußt,

Als selbst den Trost des letzten Worts zu meiden,

Den letzten Laut der tiefbeklemmten Brust.

Und mischen auch sich alle jetz'gen Leiden

In solchem Wort mit aller frühern Lust,

Ich zagte nicht, es muthig auszusprechen,

Sollt' auch im Kampf mir rasch das Herz zerbrechen.


55.

Ihr grünen Höhn, ihr Quellen und ihr Haine,

Ihr weichen Au'n, ihr Blumen zart und licht,

Ihr spielt so froh im hellen Sonnenscheine

Und fühlt den Schmerz der holden Herrin nicht!

Jetzt sucht sie nur ein Herz, das mit ihr weine,

Ein dunkler Flor verhüllt ihr Angesicht,

Nicht wagt ihr Blick auf jene sel'gen Auen

Auch einmal nur im Fliehn zurückzuschauen.


56.

Und sie begann durch manches Land zu fahren,

Und wo ihr Aug' ein zartes Kind erkannt,

Das sie an Reiz, an Freundlichkeit, an Jahren,

An Namen nur dem ihren ähnlich fand,

Da sah man sie nicht Macht noch Liebe sparen,

Und glücklich ward ein solches Kind genannt.

Stets schien es ihr bei ihren reichsten Gaben,

Sie gäb' es ihm, dem fernen, theuren Knaben.
[261]

57.

Doch wenn auch rings, wie Blumen das Gefilde,

Manch holdes Kind die reiche Erde trug,

Doch schien ihr keins so reizend als Klotilde,

So freundlich keins, und keins so fromm und klug.

Wie hing sie gern an jenem zarten Bilde,

Worin das Herz so rein und friedlich schlug,

Wie sprach sie oft mit süßen Schmeicheltönen:

Nur lieben kann ich dich, doch nicht verschönen!


58.

Als nun der Krieg Astolf's Gebiet bedräute,

Da zagte sie, daß jener wilde Brand

Ein rauhes Loos der Lieblichen bereite.

Die kaum enthüllt in zarter Blüthe stand.

Drum gab sie gern dem Liebling das Geleite

Zur fernen Fahrt in ihres Freundes Land,

Um sicher dort beim nahen Wettergrauen

Ihr Theuerstes dem Theuren zu vertrauen.


59.

Was beide jetzt beim Wiedersehn empfunden,

Wie traurend sie der schönern Zeit gedacht,

Wie heiß der Schmerz der kaum vernarbten Wunden

In ihrer Brust von neuem aufgewacht,

Dies trübe Bild verblühter Liebesstunden,

Das mahle der, dem Lieb' und Freude lacht;

Ich, den so lang schon gleiche Schmerzen quälen,

Vermag es nicht, so Bittres zu erzählen.
[262]

60.

So war Klotild' in jenes Schloß gekommen,

So schwanden dort zwei Jahr' ihr schon vorbei;

Im vollen Glanz war jetzt ihr Reiz entglommen,

Und um sie war und in ihr Licht und Mai.

Noch hatt' ihr Herz von Liebe nie vernommen,

Und wußte nicht, wie süß das Weh oft sey.

Mag kleinres Glück auch manchen Schmerz uns sparen,

Doch ist es süß, das größte zu erfahren.

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 4, Leipzig 1819–1820, S. 241-263.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hume, David

Dialoge über die natürliche Religion

Dialoge über die natürliche Religion

Demea, ein orthodox Gläubiger, der Skeptiker Philo und der Deist Cleanthes diskutieren den physiko-teleologischen Gottesbeweis, also die Frage, ob aus der Existenz von Ordnung und Zweck in der Welt auf einen intelligenten Schöpfer oder Baumeister zu schließen ist.

88 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon