Am 22sten April 1816

[163] Lächelt auch auf Hain und Auen

Hold dein lieblich laues Licht,

Frühling, ach, wer darf dir trauen

Auf dein freundlich Angesicht,

Wenn dich Thränen doch befeuchten,

Und das traurende Gemüth

Finstrer nur in deinem Leuchten

Seinen eignen Kummer sieht!


Ach, wohl ist's ein banges Sehnen,

Was verlangend in dir schwillt,

Und von süßen Wehmuthsthränen

Sind die Blüthen wohl erfüllt;

Doch verklärt vom Liebesglanze,

Von der Hoffnung lichtem Grün,

Sollt' in deinem Blumenkranze

Selbst die Trauer lieblich blühn.
[164]

Vieles muß das Herz ertragen

Bey des Zufalls blindem Spiel;

Ach, selbst in beglückten Tagen

Hat es, Thränen nie zu viel!

In den gold'nen Wolkensäumen

Lauscht das dunkle Wetter gern;

Hoffen darfst du nur und träumen,

Denn das Glück bleibt ewig fern.


Aber auch wenn oft hienieden

Unsre Träume schnell verwehn,

Ward die Treu' uns nur beschieden,

Mag die Freude gern vergehn.

Treue hält mit starken Ketten,

Was uns flüchtig einst erfreut;

Kannst du auch die Lust nicht retten,

Süß ist um die Lust das Leid.

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 3, Leipzig 1819–1820, S. 163-165.
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