Am 3ten May 1816

[175] Für der Liebe frische Blüthen

Giebst du welke Rosen mir;

Doch ich will sie freundlich hüten,

Wie das lange Leid von dir.


Wenn in trüben Wintertagen

Künftig nun die Stürme wehn,

Soll ihr bleiches Bild mir sagen,

Was mir selber einst geschehn:


In des Frühlings Blüthenhallen

Sahn auch wir den Sonnenschein,

Und das Lied der Nachtigallen

Sang auch uns in Schlummer ein.


Die das Glück nur einst besessen,

Die verläßt sein Schatten nie;

Bittrer ist es, zu vergessen,

Als zu klagen spät und früh.


Blieb von allem unsern Prangen

Auch der Dorn uns nur zurück;

Traurend freun wir uns und hangen

An dem hingewelkten Glück.

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 3, Leipzig 1819–1820, S. 175-176.
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