Auf dem Berge vor Hohlungen

[70] Den 22sten Jul. 1814.


Erklommen ist die steile Höhe,

Ich schau' hinab in's ferne Land,

Und Alles ist, so weit ich sehe,

Mir hold und heimisch und bekannt.

Fast wollt' ich jeden Berg dir sagen

Und jede Wiese, jedes Thal,

Wo ich mit ihr in frühen Tagen

Mich einst erging in Lust und Qual.


Wie zog ich doch so manche Stunden

Im dichten Haine hin und her

Und wähnte ganz mein Ziel verschwunden,

Und traute keinem Pfade mehr!

Und dennoch hat auf irren Spuren

Durch vielverschlungne Waldesnacht,

So nah den wohlbekannten Fluren,

Der Pfad zum Ziele mich gebracht.
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O süße Liebe, dürft' ich ahnen,

Daß endlich für die lange Treu

Mir so nach manchen dunkeln Bahnen

Dein sel'ges Heil beschieden sey,

Dann wollt' ich ohne Thrän' und Klage

Durch deine rauhen Wüsten gehn

Und muthig in der Nacht dem Tage,

Im Sturm der Ruh' entgegensehn.

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 3, Leipzig 1819–1820, S. 70-72.
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