Auf der Bruck

[73] Den 25sten Jul. 1814.


Frisch trabe sonder Ruh' und Rast,

Mein gutes Roß, durch Nacht und Regen!

Was scheust du dich vor Busch und Ast

Und strauchelst auf den wilden Wegen?

Dehnt auch der Wald sich tief und dicht,

Doch muß er endlich sich erschließen,

Und freundlich wird ein fernes Licht

Uns aus dem dunkeln Thale grüßen.


Wohl könnt' ich über Berg und Feld

Auf deinem schlanken Rücken fliegen

Und mich am bunten Spiel der Welt,

An holden Bildern mich vergnügen;

Manch Auge lacht mir traulich zu

Und beut mir Frieden, Lieb' und Freude,

Und dennoch eil' ich ohne Ruh

Zurück, zurück zu meinem Leide.
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Denn schon drey Tage war ich fern

Von ihr, die ewig mich gebunden;

Drey Tage waren Sonn' und Stern

Und Erd' und Himmel mir verschwunden.

Von Lust und Leiden, die mein Herz

Bey ihr bald heilten, bald zerrissen,

Fühlt' ich drey Tage nur den Schmerz,

Und ach, die Freude mußt' ich missen!


Drum trabe muthig durch die Nacht!

Und schwinden auch die dunkeln Bahnen,

Der Sehnsucht helles Auge wacht,

Und sicher führt mich süßes Ahnen.

Weit sehn wir über Land und See

Zur wärmern Flur den Vogel fliegen;

Wie sollte denn die Liebe je

In ihrem Pfade sich betrügen?

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 3, Leipzig 1819–1820, S. 73-75.
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