Am 13ten Januar 1814

[50] Wenn ich still an deinen Blicken hange,

Quillt in mir ein wunderbares Leben,

Und der Träume bunte Geister spielen

Um mich her im zauberischen Tanz.

Wie die Tön' im gold'nen Harfenklange

Leis' und laut sich in einander weben,

So verflicht von wechselnden Gefühlen

Hell und dämmernd sich der holde Kranz.


Liebesküsse beut mir dann mein Sehnen,

Und in meinem Arme ruht mein Hoffen;

Was ich träumte, steigt vom Himmel nieder,

Aus dem Grab ersteht, was ich verlor;

Und es ist die Bahn zu allem Schönen

Und des Sieges gold'nes Thor mir offen,

Und es strebt mit mächtigem Gefieder

Muthig der erlöste Geist empor.


Ach, in deines Blickes heil'gem Quelle

Seh' ich alle seel'ge Geister walten,

Was zum kühnen Wunsch das Herz beflügelt,

Was des Herzens kühne Wünsche stillt.

So erzittern in bewegter Welle

Rasch des Ufers blühende Gestalten;

Doch in unerforschter Tiefe spiegelt

Ruhig sich des Himmels heitres Bild.

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 3, Leipzig 1819–1820, S. 50-51.
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