Am 11ten Februar 1816

[143] 1.

An dich allein kann meine Seele denken;

Zum Liede wird, was ich von dir gedacht;

Kaum hat mein Geist des süßen Spieles Acht,

Weil unbemerkt ihn fremde Zauber lenken.

Wenn du dich kränkst, muß auch mein Lied sich kränken,

Und lächeln wird's, sobald dein Auge lacht;

Du hast den Sinn, ich nur die Form gemacht,

Kaum brauch' ich noch das deine dir zu schenken.

Doch siehst du gern so treu dein holdes Bild,

Wie tief im Quell die Rosen sich erblicken,

Die ungeschmückt so wunderlieblich blühen,

So sey auch mir und meinen Liedern mild,

Die kunstlos dich mit keiner Schöne schmücken,

Die du nicht selbst, du Schönste, dir verliehen.
[144]

2.

Welch Blümchen flicht, eh dieser Kranz sich endet,

Zum letzten Schmuck der Sänger dir hinein?

Zu stolz ist mir der Lilie Silberschein,

Nie war mir hold die Rose zugewendet;

Mayblümchen sind's, die einst mein Herz verblendet,

Das Tausendschön, es blüht bei dir allein;

Vergißmeinnicht, wohl würdet ihr es seyn,

Wenn nicht zu oft die Dichter euch verschwendet.

So wähl' ich dich, das, eh die Stürme fliehn,

Die Glöckchen hebt aus schneebedeckten Keimen,

Ein Stündchen nur am fernen Licht zu blühn.

Hat auch dein Lenz dir wenig Lust verliehn,

Doch trägt dein Kelch an seinen Silbersäumen

Im Winter selbst der Hoffnung zartes Grün.

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 3, Leipzig 1819–1820, S. 143-145.
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