Am 1ten Februar 1816

[130] 1.

Ihr zarten Blümlein, Wiesenanemonen,

Die sich zum Strauß die Liebste spielend band,

Als ich zuerst und plötzlich einst empfand,

Sie werd' allein in meinem Herzen wohnen,

Mag Sturm und Frost stets eurer Wiege schonen,

Wo ihr entblüht, am grünen Bergesrand,

Euch flechte stets beglückter Liebe Hand,

Noch eh' ihr welkt, in ihre Siegeskronen!

Wie ihr euch hobt beym ersten Frühlingsstrahl,

So brach auch mir aus dunkeln Wolken eben

Nach langer Nacht das Licht zum ersten Mal.

Ihr habt das Haupt geneigt im jungen Leben

Und sterbend noch ihr kurze Lust gegeben,

Ich lebe mir und, ach, auch ihr zur Qual!
[130]

2.

Du sel'ger Augenblick im dunkeln Leben,

Als meinem Mund das kühne Wort entflog,

Und sie das Haupt erröthend niederbog,

Tiefathmend, stumm, verwirrt, mit leisem Beben,

Und während sie mit scheuem Widerstreben

Aus meiner Hand die ihre zaudernd zog,

Ich in dem Blick, der ungern mich betrog,

Die Antwort las, ach, die sie nicht gegeben!

Du gold'ner Pfeil, in Nektar eingetaucht,

Den, um das Herz zum Tode zu verwunden,

Die rasche Hand nur auszureißen braucht,

Jetzt schlägt es fort und kann doch nie gefunden;

Doch tauscht' es nicht für alle frühern Stunden

Das süße Weh, das deine Gluth verhaucht.

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 3, Leipzig 1819–1820, S. 130-131.
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