Göttingen

[219] O laß dich still mit langem Kuß begrüßen,

Du heil'ges Thal, mein zweytes Vaterland!

Wo ich zuerst die Wunderblume fand,

Die früher schon die Träume mir verhießen.


Wie manche Thräne mußt' ich hier vergießen!

Wie bräutlich hielt die Lust mich oft umspannt!

O Freud' und Schmerz, wie seyd ihr nah verwandt!

Wie muß so oft eins aus dem andern sprießen!


Du, die schon lang das dunkle Grab verhüllt,

Dir muß ich nahn und liebend dich umfassen,

Und mich mit Trost am bittern Gram erfüllen.


Denn, wehe mir! das warme, blüh'nde Bild,

Das einz'ge Heil, das mir dein Tod gelassen,

Es ist zu stolz, die Thränen mir zu stillen.

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 3, Leipzig 1819–1820, S. 219-220.
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