Der Stern der Liebe

[234] Das Blümlein schläft, die Sonne sank

Im Zwielicht ringen Nacht und Helle;

Still wandl' ich stets den Bach entlang

Und seh hinab zur dunkeln Welle.


Da schwimmt ein leises, liebes Bild

Erzitternd in der blauen Tiefe

Und lacht so hold und winkt so mild,

Als ob es mich zur Heimath riefe.


Das ist der Liebe goldner Stern,

Den ich im Bächlein leuchten sehe:

Doch bleibt er selbst mir ewig fern,

Sein Bild nur lächelt in der Nähe.


O wollte doch die Frühlingsluft

Empor auf ihrem Wehn mich wiegen!

O wenn doch Glanz und Blüthenduft

Zum holden Licht mich aufwärts trügen!


So muß ich still und einsam gehn

Und niederschaun zum klaren Sterne;

O Stern, wie lächelst du so schön!

Dich lieb' ich auch in weiter Ferne!

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 4, Leipzig 1819–1820, S. 234-235.
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