Gesellschaftslied auf dem Bodensee

[26] Melodie: Bekränzt mit Laub den lieben vollen Becher.


Stimmt an den Sang, die grünen Wogen lauschen

Im alten Schwabenmeer,

Sobald ihr singt, beginnen sie zu rauschen

Und hüpfen um euch her.


Und sie durchströmt der Geist der fernen Zeiten,

Wo rings der Strand erklang,

Der Minne Lied zum Silberton der Saiten

Aus hundert Burgen drang.


Das Land ist stumm, das Ufer unbesungen,

Versunken ist die Lust –

Doch aus den Wassern hat sie sich geschwungen

Und lebt in unsrer Brust.


Im leichten Haus, das auf der Woge schwimmet,

Da wohnt der leichte Mut,

Da wiegt sich jede Freude groß, da glimmet

Noch jeder Hoffnung Glut.


Der Ruderschlag verstärkt den Schlag der Herzen,

Freundschaft und Lieb' erwacht;

O blickt umher, wie kühn die Wellen scherzen,

Drum scherzt auch ihr und lacht!


Der frohe Stoß, der unsern Nachen treibet,

Er geht durch Berg und Thal,

Sie fliegen hin, die Ruhe thront und bleibet

Nur in des Aethers Saal.


Und heller glänzet im Vorüberschweben

Der Thurm von Dorf und Stadt,

Die Firnen glühn, die niedern Hügel beben

Umwallt von Blüt' und Blatt.


Dort am Gestade schwingen sich die Reben –

So sagt, wo habt ihr Wein?

Im Doppelstrom durchschwimmen wir das Leben,

Schenkt ein, schenkt ein, schenkt ein!
[27]

Die Wonne wacht und alle Sorgen schlafen:

Doch ist des Glücks zuviel;

Die Sonne sinkt, es öffnet sich der Hafen,

Ach, schon sind wir am Ziel!


Doch tragen wir die Lust des Elementes

Hinaus in Stadt und Land,

Verbunden stets, denn das ist kein Getrenntes,

Was Lieb' und Lust verband!


Im Herzen lebt, von Sonnenschein umflossen,

Der treuen Freunde Bild,

Die blaue Flut wallt ewig drum ergossen,

Der Nachen wiegt es mild.


So süße Fahrt laßt uns durchs Leben träumen,

Da lebt sich's noch so gern;

Und wenn's auch stürmt, wenn bleich die Wogen schäumen,

Der Hafen ist nicht fern!

Quelle:
Gustav Schwab: Gedichte. Leipzig [um 1880], S. 26-28.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Papinianus

Papinianus

Am Hofe des kaiserlichen Brüder Caracalla und Geta dient der angesehene Jurist Papinian als Reichshofmeister. Im Streit um die Macht tötet ein Bruder den anderen und verlangt von Papinian die Rechtfertigung seines Mordes, doch dieser beugt weder das Recht noch sich selbst und stirbt schließlich den Märtyrertod.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon