Zum 17. Februar 1822

[19] Seine Hoffnung und sein Sehnen

Ist's, was an der Liebsten Fest

Unter Seufzern, unter Thränen,

Jünglings Leier tönen läßt.

Wer in seines Weibes Arme,

Zwischen Kinderwiegen, ruht,

Wie kann der von Liebesharme

Singen und von Sehnsuchtsglut?


Aber – Miteinander lieben

Lohnt es keinen Leierklang?

Weil die Blüte Frucht getrieben,

Tönt vom Baum kein Vogelsang?

Anders mag das Lied erschallen,

Aber jubeln wird es doch.

Frühling würde nicht gefallen,

Folgte nicht ein Sommer noch.


Miteinander zu erstreben,

Miteinander zu verstreun,

Und zu nehmen, und zu geben,

Und nach Leide sich zu freun;[19]

Miteinander zu verlachen

Stolz und Geiz der armen Zeit,

Eins das Andre zu bewachen

In dem Strom der Eitelkeit; –


Miteinander zu entbrennen,

Wo's die höchsten Güter gilt,

Eins des Andern Herz zu kennen,

Das von Freiheitsliebe schwillt,

Aus der tücht'gen Kinder Augen

Jugendlust und Hoffnungsmut,

Und fürs Alter Trost zu saugen,

Und zu flehn zum höchsten Gut; –


Miteinander so zu pflegen

Jeden irdischen Gewinn,

Daß sich kehrt beim Erdensegen

Zu dem ew'gen Heil der Sinn;

Wenn am freudenreichen Morgen

Solch Gefühl ist Liedes werth:

Nun, so bleib' es nicht verborgen,

Ström' es aus am eignen Herd!

Quelle:
Gustav Schwab: Gedichte. Leipzig [um 1880], S. 19-20.
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