Zweite Szene

[263] Das Lager der Rebellen.


Worcester und Vernon treten auf.


WORCESTER.

O nein, Sir Richard! Ja nicht darf mein Neffe

Des Königs gütiges Erbieten wissen.

VERNON.

Er sollt' es doch.

WORCESTER.

Dann ist's um uns geschehn.

Es ist durchaus unmöglich, kann nicht sein,

Daß uns der König Wort im Lieben hielte;

Er wird uns mißtraun und die Zeit ersehn,

In andern Fehlern dies Vergehn zu strafen.

Stets wird der Argwohn voller Augen stecken;

Denn dem Verrat traut man nur wie dem Fuchs,

Der, noch so zahm, gehegt und eingesperrt,

Nicht abläßt von den Tücken seines Stamms.

Seht, wie Ihr wollt, ernst oder lustig, aus,

Die Auslegung wird Euren Blick mißdeuten,

Und leben werden wir, wie Vieh im Stall,

Je mehr gepflegt, je näher stets dem Tode.

Des Neffen Fehltritt kann vergessen werden,

Denn hitzig Blut entschuldigt ihn und Jugend

Und ein als Vorrecht beigelegter Name:[263]

Ein schwindelköpf'ger Heißsporn, jähen Muts.

All seine Sünden fallen auf mein Haupt

Und seines Vaters; wir erzogen ihn,

Und da von uns ihm die Verderbnis kam,

So büßen wir, als Quell von allem, alles.

Drum, lieber Vetter, Heinrich wisse nie,

In keinem Fall, des Königs Anerbieten!

VERNON.

Bestellt dann, was Ihr wollt, ich will's bejahn;

Da kommt der Vetter.


Percy und Douglas kommen, Offiziere und Soldaten hinter ihnen.


PERCY.

Mein Oheim ist zurück, – nun liefert aus

Den Lord von Westmoreland! – Oheim, was bringt Ihr?

WORCESTER.

Der König wird sogleich die Schlacht Euch bieten.

DOUGLAS.

So fodert ihn durch Lord von Westmoreland!

PERCY.

Lord Douglas, gehet Ihr und sagt ihm das!

DOUGLAS.

Fürwahr, das will ich, und von Herzen gern.

Ab.


WORCESTER.

Der König zeigt von Gnade keinen Schein.

PERCY.

Und batet Ihr ihn drum? – Verhüt' es Gott!

WORCESTER.

Ich sagt' ihm sanft von unseren Beschwerden

Und seinem Meineid; – dies beschönigt' er,

Indem er abschwur, daß er falsch geschworen.

Rebellen, Meuter schilt er uns und droht,

Dies Tun zu geißeln mit der Waffen Zwang.


Douglas kommt zurück.


DOUGLAS.

Auf, Ritter! Zu den Waffen! Kecken Trotz

Hab' ich in König Heinrichs Hals geschleudert,

Und Westmoreland, der Geisel war, bestellt ihn;

Unfehlbar treibt es schleunig ihn heran.

WORCESTER.

Der Prinz von Wales trat bei dem König auf

Und, Neffe, fodert' Euch zum einzlen Kampf.

PERCY.

Oh, läg' der Zwist auf unsern Häuptern doch,

Und niemand sonst käm' heute außer Atem

Als ich und Heinrich Monmouth! Sagt mir, sagt mir,

Wie klang sein Antrag? Schien er voll Verachtung?

VERNON.

Nein, auf mein Wort! Zeitlebens hört' ich nicht

Bescheidner einen Feind herausgefodert,

Es müßt' ein Bruder denn den Bruder mahnen[264]

Zur Waffenprob' und friedlichem Gefecht.

Er gab Euch alle Pflichten eines Manns,

Staffiert' Eu'r Lob mit fürstlich reicher Zunge,

Zählt' Eu'r Verdienst wie eine Chronik auf,

Euch immer höher stellend als sein Lob,

Das er zu schwach fand gegen Euren Wert;

Und, was ihm ganz wie einem Prinzen stand,

Er tat errötende Erwähnung seiner

Und schalt mit Anmut seine träge Jugend,

Als wär' er da zwiefachen Geistes Herr,

Zu lehren und zu lernen auf einmal.

Da hielt er inn': doch laßt der Welt mich sagen,

Wenn er dem Neide dieses Tags entgeht,

Besaß noch England nie so süße Hoffnung,

So sehr in ihrem Leichtsinn mißgedeutet.

PERCY.

Es scheint ja, Vetter, du bist ganz verliebt

In seine Torheit: niemals hört' ich noch

Von einem Prinzen solche wilde Freiheit.

Doch sei es, wie es will, einmal vor nachts

Will ich ihn mit Soldatenarm umfassen,

Daß er erliegen soll vor meinem Gruß. –

Auf! Waffnet euch! – Und, Krieger, Freunde, Brüder,

Erwäget besser, was ihr habt zu tun,

Als ich, der nicht der Zunge Gabe hat,

Eu'r Blut durch Überredung kann erhitzen


Ein Bote kommt.


BOTE.

Herr, da sind Briefe für Euch.

PERCY.

Ich kann sie jetzt nicht lesen. –

Oh, edle Herrn, des Lebens Zeit ist kurz:

Die Kürze schlecht verbringen, wär' zu lang',

Hing' Leben auch am Weiser einer Uhr

Und endigte, wie eine Stunde kömmt.

Wir treten Kön'ge nieder, wenn wir leben;

Wenn sterben: wackrer Tod, mit Fürsten sterben!

Nun, was Gewissen gilt: – gut sind die Waffen,

Ist nur die Absicht, die sie führt, gerecht.


Ein andrer Bote kommt.[265]


BOTE.

Herr, rüstet Euch, der König naht in Eil'.

PERCY.

Ich dank' es ihm, daß er mich unterbricht,

Denn Reden ist mein Fach nicht. – Nur noch dies:

Tu' jeder, was er kann; und hier zieh' ich

Ein Schwert, des Stahl ich mit dem besten Blut

Beflecken will, dem ich begegnen kann

Im Abenteuer dieses furchtbar'n Tags.

Nun: Espérance! Percy! und hinan!

Tönt all die hohen Krieges-Instrumente

Und laßt umarmen uns bei der Musik:

Denn, Himmel gegen Erde! mancher wird

Nie mehr erweisen solche Freundlichkeit.


Trompeten. Sie umarmen sich und gehen ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 263-266.
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