[429] Wales, eine waldige Berggegend mit einer Höhle.
Es treten auf Bellarius, Guiderius und Arviragus.
BELLARIUS.
Ein heitrer Tag, nicht drin zu sitzen, wenn man
So niedres Dach wie wir hat! Schlaft ihr, Knaben?
Dies Tor lehrt euch, wie man zum Himmel betet;
Es beugt euch zu des Morgens heil'gem Dienst.
Der Kön'ge Tore sind so hoch gewölbt,
Daß Riesen durchstolzieren können, ohne
Zu lüften ihren freveln Turban, um
Den Morgen zu begrüßen. – Heil, du schöner Himmel!
Wir Felsbewohner sind dir wen'ger hart
Als Stolzbegüterte.
GUIDERIUS.
Heil, Himmel!
ARVIRAGUS.
Himmel, Heil!
BELLARIUS.
Nun an die Bergjagd: ihr zum Hügel auf,[429]
Jung ist eu'r Fuß; ich bleib' im Tal. Betrachtet,
Wenn ihr von dort mich klein als Krähe seht,
Daß nur der Platz verkleinert und vergrößert:
Und so durchdenkt, was ich euch viel erzählte,
Von Höfen, Fürsten und des Krieges Tücken;
Der Dienst ist Dienst nicht, weil man ihn getan,
Nur wenn er so erkannt. Solch Überlegen
Zieht Vorteil uns aus allem, was wir sehn:
Und oft, zu unserm Troste, finden wir
In beßrer Hut den hartbeschalten Käfer
Als hochbeschwingten Adler. Oh, dies Leben
Ist edler, als aufwarten und geschmäht sein;
Reicher, als nichts tun für ein nichtig Spielwerk;
Stolzer, als rauschen in geborgter Seide:
Solchen begrüßt zwar der, der ihn so putzte,
Doch wird dadurch die Rechnung nicht bezahlt:
Kein Leben gleich dem unsern.
GUIDERIUS.
Aus Erfahrung
Sprecht Ihr; wir armen Flügellosen schwangen
Uns nie noch weit vom Nest und wissen nicht,
Was draußen weht für Luft. Dies Leben mag
Das beste sein, ist Ruh' das beste Leben;
Süßer für Euch, weil Ihr ein schärfres kanntet;
Für Euer steifes Alter passend; doch
Für uns ein Käfig der Unwissenheit,
Reisen im Bett, ein Kerker, wo der Schuldner
Nicht über seine Grenze darf.
ARVIRAGUS.
Wovon
Doch sprechen wir, sind wir in Eurem Alter?
Wenn draußen Wind und Regen schlägt des dunkeln
Dezember, wie, geklemmt in unsre Höhle,
Verschwatzen wir alsdann die frost'gen Stunden?
Wir sahen nichts, wir sind nur wie das Vieh,
Schlau, wie der Fuchs, um Beute; wie der Wolf
Krieg'risch um unsre Ätzung: unsre Kühnheit
Ist jagen das, was fliehet; unser Käfig
Wird uns zum Chor, wie dem gefangnen Vogel,
Mit Freimut unsre Knechtschaft zu besingen.[430]
BELLARIUS.
Wie ihr nun sprecht!
Kenntet ihr nur die Wucherei der Städte,
Und hättet sie gefühlt; die Kunst des Hofes,
Der, schwer errungen, schmerzlich wird verlassen,
Wo bis zum Gipfel klimmen sichrer Fall ist,
Der Gipfel selbst so schlüpfrig, daß die Furcht
So schlimm ist wie der Fall; – des Kriegs Beschwer,
Ein Mühn, das nur Gefahr zu suchen scheint
Um Glanz und Ruhm, der dann im Suchen stirbt;
Und daß ein schmachvoll Epitaph so oft
Statt edler Tat Gedächtnis lohnt; ja, selbst
Durch wackres Tun verhaßt wird, und, noch schlimmer,
Sich beugen muß der Bosheit. – Oh, ihr Kinder!
Dergleichen mag die Welt an mir erkennen:
Gezeichnet ist mein Leib von Römerschwertern;
Mein Ruf stand einst den Besten obenan.
Mich liebte Cymbeline; kam auf Soldaten
Die Rede, war mein Nam' in jedes Mund;
Damals glich ich dem Baum, der seine Äste
Fruchtschwer herabsenkt: doch in einer Nacht
Ward – wie ihr's nennen wollt – durch Sturm, durch Raub,
Mein reifes Obst, ja Laub selbst, abgeschüttelt,
Und kahl blieb ich dem Frost.
GUIDERIUS.
Unsichre Gunst!
BELLARIUS.
Mein Fehl war nichts (wie ich euch oft erzählte),
Als daß zwei Buben, deren Meineid mehr
Als meine Ehre galt, dem König schwuren,
Ich sei verbunden mit den Römern: so
Ward ich verbannt; und diese zwanzig Jahr
War dieser Fels, die Waldung meine Welt.
In edler Freiheit lebt' ich hier und zahlte
Mehr fromme Schuld dem Himmel, als vorher
Die ganze Lebenszeit. – Doch, auf zum Bergwald!
Dies ist nicht Jägersprache. – Wer zuerst
Ein Wild erlegt, der sei der Herr des Festes;
Die beiden andern sollen ihn bedienen,
Und wir besorgen nichts von Gift, das lauert[431]
In glanzvoll prächt'gen Räumen. Hier im Tal
Treff' ich euch wieder.
Guiderius und Arviragus gehn ab.
Wie schwer, die Funken der Natur zu bergen!
Die Kinder träumt nicht, daß sie Königssöhne;
Und Cymbeline denkt nicht, daß sie noch leben.
Sie glauben, daß sie mein; und, wenn gleich niedrig
Erwachsen in der engen Höhle, reicht
Ihr Sinn doch an die Dächer der Paläste,
Und die Natur lehrt sie bei schlechten Dingen
Ein fürstlich Tun, weit mehr als andr' erkünsteln.
Der Polydor, – Britanniens Erb' und Cymbelines,
Guiderius genannt von seinem Vater, – Zeus!
Wenn auf dreibein'gem Stuhl ich sitz', erzählend
Von Kriegertat, durch mich vollbracht, fliegt seine
Begeist'rung in mein Reden; – sprech' ich:
»So fiel mein Feind, so setzt' ich meinen Fuß
Auf seinen Nacken!« – alsbald steigt dann
Sein Fürstenblut ihm in die Wang', er schwitzt
Und spannt die jungen Muskeln in der Stellung,
Die meine Schild'rung malt. Der jüngre, Cadwal
(Arviragus sonst), gleich heftig in Gebärden,
Leiht Leben meinem Wort, mehr selbst erregt
Als hörend. – Horch! Das Wild ist aufgescheucht! –
O Cymbeline! Gott weiß und mein Gewissen,
Wie ungerecht du mich verbanntest: damals
Stahl ich, zwei und drei Jahr alt, diese Kinder;
Nachkommen wollt' ich dir entziehn, wie du
Die Güter mir geraubt. Du säugtest sie,
Euriphile, du galt'st als Mutter ihnen,
Und täglich ehren sie dein Grab; mich selbst,
Bellarius (Morgan jetzt geheißen), halten
Für ihren Vater sie. – Die Jagd beginnt.
Er geht ab.[432]
Ausgewählte Ausgaben von
Cymbeline
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