[383] Britannien. Garten in Cymbelines Palast.
Zwei Edelleute treten auf.
ERSTER EDELMANN.
Ja, hier schaut jeder finster: unser Blut
Folgt minder nicht dem Himmel, als der Höfling
Stets wie der König scheinen will.
ZWEITER EDELMANN.
Der Grund?
ERSTER EDELMANN.
Die Erbin dieses Reiches, seine Tochter,
Bestimmt' er seiner Frauen einz'gem Sohn,
Die er als Witwe kürzlich sich vermählt.
Die Tochter wählte nun den Gatten selbst,
Der arm, doch edel ist: sie sind vermählt;
Der Mann verbannt, verhaftet sie: und alles
Ist äußrer Schmerz; obwohl der König, mein' ich,
Wahrhaft bekümmert ist.
ZWEITER EDELMANN.
Der König nur?
ERSTER EDELMANN.
Auch er, der sie verlor; die Kön'gin gleichfalls,
Die jenes Bündnis wünschte. Doch kein Höfling
(Wenn alle auch ihr Antlitz stimmen nach
Des Königs Blick), des Herz sich nicht erfreut
Ob dem, weshalb sie grollen.
ZWEITER EDELMANN.
Und warum?
ERSTER EDELMANN.
Der die Prinzeß verlor, ist ein Geschöpf,
Zu schlecht, ihn schlecht zu nennen; der sie hat
(Das heißt, dem sie vermählt, der Ärmste, ach!
Deshalb verbannt) ist solch vollendet Wesen,
Daß, wenn man auch den Erdkreis rings durchsuchte
Nach einem, so wie er, stets blieb' ein Mangel
Dem, der sich ihm vergleicht: denn ich vermeine,[383]
Mit so viel innerm Wert und äußrer Schönheit
Sei niemand sonst begabt.
ZWEITER EDELMANN.
Ihr übertreibt.
ERSTER EDELMANN.
Ich mess' ihn nur weit unter seiner Größe,
Drück' ihn zusammen, statt ihn zu entfalten
In voller Macht.
ZWEITER EDELMANN.
Wie ist sein Nam' und Ursprung?
ERSTER EDELMANN.
Ich kenne seinen Stammbaum nicht. Sicilius,
So hieß sein Vater, kämpft' einst ruhmbekränzt
Gegen die Römer, mit Cassibelan;
Doch dem Tenantius dankt er seine Würden,
Dem er mit Glanz und seltnem Glück gedient;
So ward er Leonatus zubenannt.
Er hatte, außer jenem edlen Sohn,
Zwei andre noch, die, in dem Krieg der Zeit,
Das Schwert in Händen, fielen, was des Greises
Zu heft'ge Vaterliebe so erschüttert,
Daß er sich tot gehärmt; sein edles Weib,
Schwanger mit dem, von dem wir sprechen, starb
Bei der Geburt. Da nimmt das Kind der König
In seinen Schutz, und nennt ihn Posthumus Leonatus;
Läßt ihn erziehn, macht ihn zu seinem Pagen,
Zu jeder Wissenschaft ihm Zugang bahnend,
Für die sein Alter reif. Das sog er ein,
Wie wir die Luft, es augenblicks begreifend;
Sein Frühling ward schon Ernt'; er lebt' am Hofe
(Ein seltner Fall!) in Lieb' und Lob der Erste;
Dem Jüngsten Musterbild, dem Reiferen
Ein Spiegel für des Schmucks Vollendung, und
Ein Kind den Ernstern, die zu Toren wurden,
Umführen sich zu lassen; seiner Gattin,
Für die er jetzt verbannt, – ihr eigner Wert
Zeigt, wie sie ihn und seine Tugend schätzte:
In ihrer Wahl könnt Ihr am besten lesen,
Was für ein Mann er ist.
ZWEITER EDELMANN.
Ich her' ihn schon,
In Eurer Schild'rung. Doch, ich bitt' Euch, sagt mir,
Ist sie des Königs einz'ges Kind?[384]
ERSTER EDELMANN.
Sein einz'ges.
Zwei Söhne hatt' er (dünkt's Euch merkenswert,
So hört mir zu): der älteste drei Jahr,
Der zweit' in Windeln, wurden sie gestohlen
Aus ihrer Ammenstub', und niemand ahnet
Bis diese Stunde, was aus ihnen ward.
ZWEITER EDELMANN.
Wann fiel das vor?
ERSTER EDELMANN.
Vor etwa zwanzig Jahren.
ZWEITER EDELMANN.
Daß Königskinder so entwendet wurden!
So schlecht bewacht! So schläfrig aufgesucht,
Daß keine Spur sich fand!
ERSTER EDELMANN.
Mag's seltsam sein,
Und fast zum Lachen solche Lässigkeit,
So ist es dennoch wahr.
ZWEITER EDELMANN.
Ich glaub' es Euch.
ERSTER EDELMANN.
Wir müssen uns zurückziehn, denn hier kommt
Der edle Herr, die Kön'gin und Prinzessin.
Sie gehn ab.
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