[397] Britannien, in Cymbelines Palast.
Es treten auf die Königin, Hofdamen und Cornelius.
KÖNIGIN.
Solang' der Tau am Boden, pflückt die Blumen;
Rasch: wer hat das Verzeichnis?
ERSTE HOFDAME.
Ich.
KÖNIGIN.
So geht: –
Die Hofdamen gehn ab.
Nun, Doktor, bracht'st du mir die Spezereien?
CORNELIUS ihr ein Fläschchen reichend.
Wie Eure Hoheit mir befahl, hier sind sie.[397]
Doch ich ersuch' Eu'r Gnaden (zürnt mir nicht,
Denn mein Gewissen dringt auf diese Frage):
Weshalb verlangtet Ihr die gift'gen Mittel,
Die, angewandt, langsamen Tod bewirken,
Nicht schnell, doch sicher sind?
KÖNIGIN.
Mich wundert, Doktor,
Daß du mich also fragst; war ich nicht lange
Schon deine Schülerin? Lehrt'st du mich nicht
Einmachen, destillieren, Weihrauch mischen?
Daß unser großer König selbst mich oft
Um meine Früchte bat? So vorgeschritten
(Hältst du mich nicht für teuflisch), ist's ein Wunder,
Wenn ich mein Wissen zu erweitern trachte
Durch andre Proben? So will ich die Kräfte
Der Kunst an solchen Kreaturen prüfen,
Die nicht des Hängens wert (an Menschen nicht);
Um ihre Wirkung zu erproben, wend' ich
Dann Gegenmittel an, und so erforsch' ich
Den mannigfachen Einfluß.
CORNELIUS.
Solche Übung
Muß, hohe Fürstin, Euer Herz verhärten;
Auch ist der Anblick dieser Wirkung schädlich
Sowohl als ekelhaft.
KÖNIGIN.
Oh, sei ganz ruhig! –
Pisanio tritt auf.
KÖNIGIN für sich.
Hier kommt ein schmeichlerischer Bub'; an ihm
Prüf' ich's zuerst: er ist für seinen Herrn,
Und meinem Sohn entgegen. – Ei, Pisanio! –
Doktor, für jetzt bedarf ich dein nicht mehr:
Du magst nun gehn.
CORNELIUS für sich.
Ich trau' Euch nicht; doch, Kön'gin,
Ihr sollt kein Unheil stiften.
KÖNIGIN zu Pisanio.
Hör', ein Wort –
CORNELIUS für sich.
Verdächtig ist sie mir. Sie glaubt, sie habe
Ein zehrend Gift: doch kenn' ich ihren Sinn,
Und würde keinem, der ihr gleicht an Tücke,
So höll'schen Trank vertraun; das, was sie hat,[398]
Betäubt und stumpft den Sinn auf kurze Zeit.
Vielleicht versucht sie's erst an Hunden, Katzen,
Dann immer höher auf; doch in dem Schein
Des Todes, den dies gibt, ist nicht Gefahr:
Es fesselt nur auf kurze Zeit den Geist,
Der um so frischer dann erwacht. Getört
Wird sie durch falschen Schein; ich, falsch an ihr,
Bin um so treuer.
KÖNIGIN.
Doktor, du magst gehn,
Bis wir dich rufen lassen.
CORNELIUS.
Ich gehorche.
Er geht ab.
KÖNIGIN.
Du sagst, sie weint noch immer? Glaubst du nicht,
Daß mit der Zeit sie ruh'ger wird und Rat
Einläßt, wo Torheit herrscht? Tu', was du kannst:
Sagst du mir einst, sie liebe meinen Sohn,
Dann, glaube mir, stehst du im Augenblick
Hoch, wie dein Herr, und höher; denn sein Glück
Liegt sprachlos da, sein Name selbst schöpft bald
Den letzten Hauch. Heimkehren kann er nicht,
Noch bleiben, wo er ist; den Ort verändern,
Heißt nur ein Elend mit dem andern tauschen,
Und jeder neue Tag zerstört ihm nur
Des vor'gen Tages Werk. Was kannst du hoffen,
Lehnst du dich an ein Ding, das im Verfall
Und neu gebaut nicht werden kann? Er hat
Nicht Freund', um ihn zu stützen. –
Die Königin läßt das Fläschchen fallen, Pisanio hebt es auf.
Du nimmst auf,
Und weißt nicht was, doch nimm's für deine Müh':
Ich macht' es selbst, und fünfmal hat's den König
Vom Tod gerettet; keine beßre Stärkung
Ist mir bekannt. – Behalt's, ich bitte dich;
Es sei das Handgeld eines größern Lohns,
Den ich dir zugedacht. – Sag deiner Herrin,
Wie ihre Sache steht, tu's wie von selbst.
Bedenk', wie sich dein Glücksstand ändert; denk' nur,
Die Fürstin bleibt dir, meinen Sohn gewinnst du,[399]
Der dich auszeichnen wird; den König stimm' ich
Zu jeder Art Beförd'rung, wie du nur
Sie wünschen magst; zumeist bin ich verpflichtet,
Die Mühe glänzend zu belohnen. Sende
Mir meine Frau'n, und denke meiner Worte! –
Pisanio geht ab.
Ein standhaft, tück'scher Schelm: nicht zu erschüttern;
Der Anwalt seines Herrn, und ihr ein Mahner,
Um ihre Hand dem Gatten zu bewahren.
Ich gab ihm etwas: wenn er es genießt,
So hat sie keinen mehr, der Botschaft läuft
Für ihren Schatz; und beugt sie nicht den Sinn,
Soll sie es wahrlich auch bald kosten müssen.
Pisanio kommt mit den Hofdamen zurück.
So, so; – recht gut, recht gut:
Die Veilchen, Schlüsselblumen und die Primeln
Bringt in mein Schlafgemach! Leb wohl, Pisanio!
Gedenke meines Worts!
Die Königin und die Hofdamen gehn ab.
PISANIO.
Das werd' ich tun:
Doch sollt' ich meine Treu' am Herren brechen,
Würg' ich mich selbst; mehr will ich nicht versprechen.
Er geht ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Cymbeline
|
Buchempfehlung
1843 gelingt Fanny Lewald mit einem der ersten Frauenromane in deutscher Sprache der literarische Durchbruch. Die autobiografisch inspirierte Titelfigur Jenny Meier entscheidet sich im Spannungsfeld zwischen Liebe und religiöser Orthodoxie zunächst gegen die Liebe, um später tragisch eines besseren belehrt zu werden.
220 Seiten, 11.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro