[513] Sizilien, im Palast.
Hermione, Mamillius und Hofdamen.
HERMIONE.
Nehmt Ihr den Knaben, denn er quält mich so,
Ich kann es nicht ertragen.
ERSTE DAME.
Kommt, mein Prinz,
Wollt Ihr zum Spielkam'rad mich haben?
MAMILLIUS.
Nein,
Dich mag ich nicht.
ERSTE DAME.
Weshalb, mein süßer Prinz?
MAMILLIUS.
Du küssest mich und sprichst mit mir, als wär'
Ich noch ein kleines Kind. – Dich hab' ich lieber.
ZWEITE DAME.
Und warum das, mein Prinz?
MAMILLIUS.
Nicht etwa, weil
Du schwärzre Brauen hast; doch schwarze Brauen,
Sagt man, sind schön bei manchen Frau'n, nur muß
Nicht zu viel Haar darin sein, nur ein Bogen,
Ein Halbmond, fein gemacht wie mit der Feder.
ZWEITE DAME.
Wer lehrt' Euch das?
MAMILLIUS.
Ich lernt' es selbst aus Frau'ngesichtern. – Sprich,
Von welcher Farb' sind deine Brauen?
ERSTE DAME.
Blau.
MAMILLIUS.
Ach, Spaß! Einmal sah ich bei einer Frau
Die Nase blau, doch nicht die Brauen.
ZWEITE DAME.
Hört:
Die Kön'gin, Eure Mutter, kommt bald nieder:
Dann werden einem hübschen neuen Prinzen
Wir dienen, und Ihr spaßtet gern mit uns,
Wenn wir Euch möchten.[513]
ERSTE DAME.
Ja, sie ward seit kurzem
Sehr stark: Gott schenk' ihr eine gute Stunde!
HERMIONE.
Ei, welche Weisheit kramt Ihr aus? Komm, Freund,
Für dich bin ich nun wieder; setz' dich zu mir,
Erzähl' ein Märchen!
MAMILUUS.
Lustig oder traurig?
HERMIONE.
So lustig, wie du willst.
MAMILLIUS.
Ein traurig Märchen
Paßt für den Winter, und ich weiß von Geistern
Und Hexen eins.
HERMIONE.
Das laß uns hören, Sohn!
Setz' dich, fang' an, und mach' mich recht zu fürchten
Mit deinen Geistern; darin bist du stark.
MAMILLIUS.
Es war einmal ein Mann –
HERMIONE.
Nein, setz' dich, dann fang' an!
MAMILLIUS.
Der wohnt' am Kirchhof – ich will sacht erzählen,
Die Heimchen sollen's dort nicht hören.
HERMIONE.
Wohl,
So sag es mir ins Ohr!
Es treten auf Leontes, Antigonus und andre Herren vom Hofe.
LEONTES.
Man traf ihn dort? Sein Zug? Camillo mit ihm?
ERSTER HERR.
Ich traf sie hinterm Pinienwald; noch nie
Sah Menschen ich so eilen; meine Blicke
Verfolgten zu den Schiffen sie.
LEONTES.
Wie glücklich,
Daß ich so recht gesehn, die Wahrheit traf! –
Ach! irrt' ich lieber! Wie verdammt bin ich
In diesem Glück! – Wohl kann sich eine Spinne
Verkriechen in den Becher, und man trinkt;
Man geht, und spürt kein Gift; nicht angesteckt
Ward das Bewußtsein; aber hält uns einer
Die ekelhafte Zutat vor, und sagt uns,
Was wir getrunken, sprengt man Brust und Seiten
Mit heft'gem Würgen: – ich trank und sah die Spinne.
Camillo half dazu und war sein Kuppler; –
Ein Anschlag ist's auf meinen Thron, mein Leben;
Zur Wahrheit wird Verdacht: – der falsche Bube,[514]
Den ich bestellt, war vorbestellt von ihm;
Er hat ihm meinen Plan entdeckt, und ich
Bin ein geäffter Tor für sie, ein Spielball
Für ihre Laune. – Wie denn sind so leicht
Die Pforten ihnen aufgetan?
ERSTER HERR.
Durch Vollmacht,
Durch die er oft schon dies ins Werk gestellt,
Wenn Ihr's befahlt.
LEONTES.
Ich weiß es nur zu wohl. –
Gib mir das Kind; ein Glück, daß du's nicht nährtest:
Trägt er von mir auch manchen Zug, hat er
Doch zu viel Blut von dir.
HERMIONE.
Was ist das? Scherz?
LEONTES.
Tragt fort das Kind, er soll nicht bei ihr sein;
Hinweg mit ihm: – mit jenem mag sie scherzen,
Womit sie schwanger, denn Polyxenes
Verdankst du das.
HERMIONE.
Ich kann es wohl verneinen
Und schwören, daß Ihr meinem Leugnen glaubt,
Wenn Ihr gleich anders scheinen wollt.
LEONTES.
Ihr Herren,
Schaut dort sie an und scharf, gern spräch' dann jeder,
Nicht wahr: »Die Frau ist lieblich?« Doch es muß
Die Redlichkeit des Herzens alsbald sprechen:
»Wie schade, daß sie keusch nicht ist und ehrbar!«
Preist sie nur um dies Außenwerk des Leibes
(Das man gewiß hoch darf in Rechnung stellen),
Und gleich wird Achselzucken, Hum und Ha,
Die kleinen Brandmal', die Verleumdung braucht, –
Oh! weit gefehlt, die Milde braucht; Verleumdung
Brennt ja die Tugend selbst: – dies Achselzucken,
Dies Hum und Ha, wie ihr sie lieblich nanntet,
Dringt, eh' ihr keusch sie nennen könnt, hervor.
Doch hört
Von ihm, den's wohl am tiefsten schmerzen muß:
Sie ist Eh'brecherin.
HERMIONE.
Sagte das ein Bube,
Der ausgemachtste Bube auf der Welt,[515]
Er wär' ein um so ärgrer Bub': Ihr, mein Gemahl,
Seid nur im Irrtum.
LEONTES.
Ihr, Fürstin, wart verirrt.
Weit, vom Leontes zum Polyxenes.
O du Geschöpf!
Das ich nicht nennen will, wie du verdienst,
Daß Barbarei, an mir ein Beispiel nehmend,
Nicht gleiche Sprach' in allen Ständen führe,
Vernichtend jede Sitte, die den Fürsten
Vom Bettler unterschied! – Ich hab's gesagt,
Sie ist Eh'brecherin, und gesagt, mit wem;
Mehr noch, Verrät'rin ist sie, und Camillo
Ihr Mitverschworner, der um alles weiß,
Was sie sich schämen sollte selbst zu wissen,
Sie nur, mit ihrem schändlichen Verführer,
Daß sie verbuhlt ist, schlecht wie jene, die
Der Pöbel mit den frechsten Namen schilt;
Ja, auch vertraut war sie mit dieser Flucht.
HERMIONE.
Bei meinem Leben! Nein,
Vertraut mit nichts von dem; wie wird's Euch schmerzen,
Wenn Ihr zu hellrer Einsicht einst gelangt,
Daß Ihr mich so beschimpft habt! Teurer Herr,
Ihr könnt mir kaum genug tun, sagt Ihr dann:
Ihr irrtet Euch.
LEONTES.
Nein, nein; wenn ich mich irre
In diesem Fundament, worauf ich baue,
So ist die Erd' nicht stark genug, zu tragen
Des Knaben Kreisel. – Fort mit ihr zum Kerker!
Wer für sie spricht, der ist schon deshalb schuldig,
Bloß weil er spricht.
HERMIONE.
Es herrscht ein bös Gestirn;
Ich muß geduldig sein, bis der Aspekt
Am Himmel günst'ger ist. – Ihr guten Herrn,
Ich weine nicht so schnell, wie mein Geschlecht
Wohl pflegt; der Mangel dieses eiteln Taues
Macht wohl eu'r Mitleid welken; doch hier wohnt
Der ehrenvolle Schmerz, der heft'ger brennt,
Als daß ihn Tränen löschten: ich ersuch' euch,[516]
Mit einem Sinn, so mild, als eure Liebe
Euch stimmen mag, meßt mich, – und so geschehe
Des Königs Wille!
LEONTES zu der Wache.
Wird man mir gehorchen?
HERMIONE.
Und wer begleitet mich? – Ich bitt' Eu'r Hoheit,
Mir meine Frau'n zu lassen; denn ihr seht,
Mein Zustand fodert's. Weint nicht, gute Kinder,
Es ist kein Grund; hört ihr, daß eure Herrin
Verdient den Kerker, dann laßt Tränen strömen,
Wär' ich auch frei. Der Kampf, in den ich gehe,
Dient mir zum ew'gen Heil. – Lebt wohl, mein König,
Ich wünscht' Euch nie betrübt zu sehn; doch glaub' ich,
Ich werd' es jetzt. – Nun kommt, ihr habt Erlaubnis.
LEONTES.
Hinweg, und tut, was wir befohlen! Fort!
Die Königin geht mit ihren Damen ab.
ERSTER HERR.
Ich bitt' Eu'r Hoheit, ruft zurück die Fürstin!
ANTIGONUS.
Herr, handelt mit Bedacht, damit das Recht
Gewalt nicht sei, und so drei Große leiden,
Ihr, Eure Kön'gin, Euer Sohn.
ERSTER HERR.
Mein Leben
Wag' ich zum Pfand zu setzen, und ich tu's,
Nehmt Ihr es an, daß unsre Fürstin rein,
Vor Euch und vor des Himmels Aug'; ich meine
Von dem, des Ihr sie anklagt.
ANTIGONUS.
Wird bewiesen,
Daß sie's nicht ist, so will ich Schildwacht halten
Bei meiner Frau, mit ihr gekoppelt gehen,
Und ihr nur traun, wenn ich sie seh' und fühle;
Denn jeder Zoll von Weiberfleisch ist falsch,
Ja, jeder Gran von allen auf der Welt,
Wenn sie es ist.
LEONTES.
Schweigt still!
ERSTER HERR.
Mein teurer König –
ANTIGONUS.
Für Euch ist's, daß wir reden, nicht für uns.
Ihr seid getäuscht von einem Ohrenbläser,
Der dafür sei verdammt; kennt' ich den Schurken,
Den Garaus macht' ich ihm. – Sie ehrvergessen! –[517]
Drei Töchter hab' ich, elf die älteste,
Die zweit' und dritte neun und etwa fünf;
Zeigt dies sich wahr, so sollen sie's bezahlen,
Bei meiner Ehr', und vierzehn nicht erleben;
Ich töte sie, eh' falsch Geschlecht sie bringen:
Sie nur sind meine Erben, aber lieber
Verschnitt' ich mich, als daß sie mir nicht brächten
Erwünschte Enkel.
LEONTES.
Schweigt, nichts mehr davon!
Ihr spürt die Sache mit so kaltem Sinn,
Wie eines Leichnams Nas'; ich seh's und fühl' es;
Wie Ihr fühlt, fass' ich Euch und seh' die Hände,
Die Euch ergreifen.
ANTIGONUS.
Ist es so, dann braucht's
Kein Grab, um Tugend zu beerd'gen: denn
Kein Körnchen blieb von ihr, um zu versüßen
Das kot'ge Rund der weiten Welt.
LEONTES.
Glaubt man mir nicht?
ERSTER HERR.
Viel besser, wenn man uns glaubt, und nicht Euch,
In diesem Punkt; und mehr erfreut es uns,
Bewährt sich ihre Ehr', als Euer Argwohn,
Zürnt Ihr auch noch so sehr.
LEONTES.
Was brauchen wir
Mit Euch uns zu beraten? Folgen nicht
Vielmehr dem mächt'gen Drang? Die Majestät
Bedarf nicht Euers Rats. Nur unsre Güte
Teilt euch dies mit; wenn ihr, blödsinnig ganz,
Wo nicht, aus List so scheinend, wollt nicht, könnt nicht
Die Wahrheit sehn gleich uns: so forscht ihr nach!
Doch brauchen wir nicht Euers Rats; die Sache,
Verlust, Gewinn, Befehl und Ausführung
Geht uns nur an.
ANTIGONUS.
So wünscht' ich, mein Gebieter,
Ihr hättet schweigend es im Geisterwogen,
Nie öffentlich erklärt.
LEONTES.
Wie wär' es möglich?
Du bist, vor Alter, stumpfen Sinns, wo nicht
Ein Tor schon von Geburt; Camillos Flucht,[518]
Dazu dann ihr vertrauter Umgang, der
So augenscheinlich Argwohn überbot,
Dem nur noch Anblick fehlte, nichts, als Zeugnis
Des eignen Auges, – denn das andre alles
Zeigt als geschehn die Tat, – zwingt, so zu handeln.
Doch, um es mehr noch zu bekräftigen
(Da in so wicht'gem Fall ein wild Verfahren
Sehr zu bejammern wäre), sandt' ich Boten
Zum heil'gen Delphi, zu Apollos Tempel;
Cleomenes und Dion, die ihr kennt
Als fest und zuverlässig. Vom Orakel
Hängt alles ab, sein heil'ger Ratschluß soll
Mich spornen oder zügeln. Tat ich wohl?
ERSTER HERR.
Sehr wohl, mein Fürst.
LEONTES.
Bin ich befriedigt auch, nichts mehr bedürfend,
Als was ich weiß, wird das Orakel doch
Der andern Sinn beruh'gen, die, gleich jenem,
Mit gläub'gem Unverstand es nicht vermögen,
Zur Wahrheit aufzuschaun. So schien's uns gut,
Sie einzuschließen, unsrer Näh' beraubt,
Auf daß nicht der Verrat der zwei Entflohnen
Ihr zur Vollziehung bleibe. – Folgt mir nach,
Jetzt red' ich öffentlich; denn dies Geschäft
Regt all' uns auf.
ANTIGONUS beiseit:
Ja, doch zum Lachen, denk' ich,
Wenn an den Tag die rechte Wahrheit kommt.
Alle ab.
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