[406] Vor Shylocks Hause.
Shylock und Lanzelot kommen.
SHYLOCK.
Gut, du wirst sehn, mit deinen eignen Augen,
Des alten Shylocks Abstand von Bassanio.
He, Jessica! – Du wirst nicht voll dich stopfen,
Wie du bei mir getan – He, Jessica! –
Und liegen, schnarchen, Kleider nur zerreißen –
He, sag' ich, Jessica!
LANZELOT.
He, Jessica!
SHYLOCK. Wer heißt dich schrein? Ich hab's dir nicht geheißen.
LANZELOT. Euer Edlen pflegten immer zu sagen, ich könnte nichts ungeheißen tun.
Jessica kommt.
JESSICA.
Ruft Ihr? Was ist Euch zu Befehl?
SHYLOCK.
Ich bin zum Abendessen ausgebeten:
Da hast du meine Schlüssel, Jessica.
Zwar weiß ich nicht, warum ich geh': sie bitten
Mich nicht aus Liebe, nein, sie schmeicheln mir;
Doch will ich gehn aus Haß, auf den Verschwender
Von Christen zehren. – Jessica, mein Kind,
Acht' auf mein Haus! – Ich geh' recht wider Willen:
Es braut ein Unglück gegen meine Ruh',
Denn diese Nacht träumt' ich von Säcken Geldes.
LANZELOT. Ich bitte Euch, Herr, geht; mein junger Herr erwartet Eure Zukunft.
SHYLOCK. Ich seine auch.
LANZELOT. Und sie haben sich verschworen – ich sage nicht, daß Ihr eine Maskerade sehen sollt; aber wenn Ihr eine seht, so war es nicht umsonst, daß meine Nase an zu bluten fing, auf den letzten Ostermontag des Morgens um sechs Uhr, der das Jahr auf den Tag fiel, wo vier Jahre vorher nachmittags Aschermittwoch war.
SHYLOCK.
Was? Gibt es Masken? Jessica, hör' an:
Verschließ' die Tür, und wenn du Trommeln hörst,
Und das Gequäk der quergehalsten Pfeife,[406]
So klettre mir nicht an den Fenstern auf,
Steck' nicht den Kopf hinaus in offne Straße,
Nach Christennarren mit bemaltem Antlitz
Zu gaffen; stopfe meines Hauses Ohren,
Die Fenster, mein' ich, zu, und laß den Schall
Der albern Geckerei nicht dringen in
Mein ehrbar Haus. – Bei Jakobs Stabe schwör' ich,
Ich habe keine Lust, zu Nacht zu schmausen,
Doch will ich gehn. – Du, Bursch, geh mir voran,
Sag, daß ich komme!
LANZELOT.
Herr, ich will vorangehn.
Guckt nur am Fenster, Fräulein, trotz dem allen:
Denn vorbeigehn wird ein Christ,
Wert, daß ihn 'ne Jüdin küßt.
Ab.
SHYLOCK.
Was sagt der Narr von Hagars Stamme? he?
JESSICA. Sein Wort war: »Fräulein, lebet wohl«; sonst nichts.
SHYLOCK.
Der Laff' ist gut genug, jedoch ein Fresser,
'ne Schnecke zum Gewinn, und schläft bei Tag
Mehr als das Murmeltier; in meinem Stock
Baun keine Hummeln: drum lass' ich ihn gehn,
Und lass' ihn gehn zu einem, dem er möge
Den aufgeborgten Beutel leeren helfen.
Gut, Jessica, geh nun ins Haus hinein,
Vielleicht komm' ich im Augenblicke wieder.
Tu', was ich dir gesagt, schließ' hinter dir
Die Türen: fest gebunden, fest gefunden,
Das denkt ein guter Wirt zu allen Stunden.
Ab.
JESSICA.
Lebt wohl, und denkt das Glück nach meinem Sinn,
Ist mir ein Vater, Euch ein Kind dahin.
Ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Der Kaufmann von Venedig
|
Buchempfehlung
»In der jetzigen Zeit, nicht der Völkerwanderung nach Außen, sondern der Völkerregungen nach Innen, wo Welttheile einander bewegen und ein Land um das andre zum Vaterlande reift, wird auch der Dichter mit fortgezogen und wenigstens das Herz will mit schlagen helfen. Wahrlich! man kann nicht anders, und ich achte keinen Mann, der sich jetzo blos der Kunst zuwendet, ohne die Kunst selbst gegen die Zeit zu kehren.« schreibt Jean Paul in dem der Ausgabe vorangestellten Motto. Eines der rund einhundert Lieder, die Hoffmann von Fallersleben 1843 anonym herausgibt, wird zur deutschen Nationalhymne werden.
90 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro