[634] Vor Prosperos Zelle.
Ferdinand, ein Scheit Holz tragend.
FERDINAND.
Es gibt müh'volle Spiele, und die Arbeit
Erhöht die Lust dran; mancher schnöde Dienst
Wird rühmlich übernommen, und das Ärmste
Führt zu dem reichsten Ziel. Dies niedre Tagwerk
Wär' so beschwerlich als verhaßt mir; doch
Die Herrin, der ich dien', erweckt das Tote
Und macht die Müh'n zu Freuden. Oh, sie ist
Zehnfach so freundlich als ihr Vater rauh,
Und er besteht aus Härte. Schleppen muß ich
Und schichten ein paar tausend dieser Klötze,
Bei schwerer Strafe: meine süße Herrin
Weint, wenn sie's sieht, und sagt, so knecht'scher Dienst
Fand nimmer solchen Täter. Ich vergesse;
Doch diese lieblichen Gedanken laben
Die Arbeit selbst; ich bin am müßigsten,
Wann ich sie tue.
Miranda kommt. Prospero in einiger Entfernung.
MIRANDA.
Ach, ich bitte, plagt
Euch nicht so sehr! Ich wollte, daß der Blitz
Das Holz verbrannt, das Ihr zu schichten habt.
Legt ab und ruht Euch aus! Wenn dies hier brennt,
Wird's weinen, daß es Euch beschwert. Mein Vater
Steckt tief in Büchern: Bitte, ruht Euch aus!
Ihr seid vor ihm jetzt auf drei Stunden sicher.
FERDINAND.
O teuerste Gebieterin! die Sonne[634]
Wird untergehn, eh' ich vollbringen kann,
Was ich doch muß.
MIRANDA.
Wenn Ihr Euch setzen wollt,
Trag' ich indes die Klötze. Gebt mir den!
Ich bring' ihn hin.
FERDINAND.
Nein, köstliches Geschöpf!
Eh' sprengt' ich meine Sehnen, bräch' den Rücken,
Als daß Ihr solcher Schmach Euch unterzögt,
Und ich säh' träge zu.
MIRANDA.
Es stände mir
So gut wie Euch, und ich verrichtet' es
Weit leichter, denn mich treibt mein guter Wille,
Und Euerm ist's zuwider.
PROSPERO.
Armer Wurm,
Du bist gefangen! Dein Besuch verrät's.
MIRANDA.
Ihr seht ermüdet aus.
FERDINAND.
Nein, edle Herrin,
Bei mir ist's früher Morgen, wenn Ihr mir
Am Abend nah seid. Ich ersuche Euch
(Hauptsächlich, um Euch im Gebet zu nennen),
Wie heißet Ihr?
MIRANDA.
Miranda. – O mein Vater!
Ich hab' Eu'r Wort gebrochen, da ich's sagte.
FERDINAND.
Bewunderte Miranda! In der Tat
Der Gipfel der Bewund'rung; was die Welt
Am höchsten achtet, wert! Gar manches Fräulein
Betrachtet' ich mit Fleiß, und manches Mal
Bracht' ihrer Zungen Harmonie in Knechtschaft
Mein allzu emsig Ohr; um andre Gaben
Gefielen andre Frau'n mir; keine je
So ganz von Herzen, daß ein Fehl in ihr
Nicht haderte mit ihrem schönsten Reiz
Und überwältigt' ihn: doch Ihr, oh, Ihr,
So ohnegleichen, so vollkommen, seid
Vom besten jegliches Geschöpfs erschaffen.
MIRANDA.
Vom eigenen Geschlechte kenn' ich niemand,
Erinn're mir kein weibliches Gesicht,
Als meines nur im Spiegel; und ich sah[635]
Nicht mehre, die ich Männer nennen könnte,
Als Euch, mein Guter, und den teuern Vater.
Was für Gesichter anderswo es gibt,
Ist unbewußt mir; doch bei meiner Sittsamkeit,
Dem Kleinod meiner Mitgift! wünsch' ich keinen
Mir zum Gefährten in der Welt als Euch,
Noch kann die Einbildung ein Wesen schaffen,
Das ihr gefiele, außer Euch. Allein
Ich plaudre gar zu wild und achte darin
Des Vaters Vorschrift nicht.
FERDINAND.
Ich bin nach meinem Stand
Ein Prinz, Miranda, ja ich denk', ein König –
(Wär' ich's doch nicht!), – und trüg' so wenig wohl
Hier diese hölzerne Leibeigenschaft,
Als ich von einer Fliege mir den Mund
Zerstechen ließ'. – Hört meine Seele reden!
Den Augenblick, da ich Euch sahe, flog
Mein Herz in Euern Dienst; da wohnt es nun,
Um mich zum Knecht zu machen: Euretwegen
Bin ich ein so geduld'ger Tagelöhner.
MIRANDA.
Liebt Ihr mich?
FERDINAND.
O Erd', o Himmel! zeuget diesem Laut
Und krönt mit günst'gem Glück, was ich beteure,
Red' ich die Wahrheit; red' ich falsch, so kehrt
Die beste Vorbedeutung mir in Unglück!
Weit über alles, was die Welt sonst hat,
Lieb' ich und acht' und ehr' Euch.
MIRANDA.
Ich bin töricht,
Zu weinen über etwas, das mich freut.
PROSPERO.
Ein schön Begegnen zwei erwählter Herzen!
Der Himmel regne Huld auf das herab,
Was zwischen ihnen aufkeimt!
FERDINAND.
Warum weint Ihr?
MIRANDA.
Um meinen Unwert, daß ich nicht darf bieten,
Was ich zu geben wünsche; noch viel minder,
Wonach ich tot mich sehnen werde, nehmen.
Doch das heißt Tändeln, und je mehr es sucht
Sich zu verbergen, um so mehr erscheint's[636]
In seiner ganzen Macht. Fort, blöde Schlauheit!
Führ' du das Wort mir, schlichte, heil'ge Unschuld!
Ich bin Eu'r Weib, wenn Ihr mich haben wollt,
Sonst sterb' ich Eure Magd; Ihr könnt mir's weigern,
Gefährtin Euch zu sein, doch Dienerin
Will ich Euch sein: Ihr wollet oder nicht.
FBRDINAND.
Geliebte, Herrin, und auf immer ich
So untertänig!
MIRANDA.
Mein Gatte denn?
FERDINAND.
Ja, mit so will'gem Herzen,
Als Dienstbarkeit sich je zur Freiheit wandte.
Hier habt Ihr meine Hand!
MIRANDA.
Und Ihr die meine,
Mit meinem Herzen drin; und nun lebt wohl
Auf eine halbe Stunde!
FBRDINAND.
Tausend, tausendmal!
Beide ab.
PROSPERO.
So froh wie sie kann ich nicht drüber sein,
Die alles überrascht; doch größre Freude
Gewährt mir nichts.
Ich will zu meinem Buch,
Denn vor der Abendmahlzeit hab' ich noch
Viel Nöt'ges zu verrichten.
Ab.
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Der Sturm
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