[124] Zimmer in Petruchios Landhaus.
Katharina und Grumio treten auf.
GRUMIO.
Nein, nein, gewiß! ich darf nicht für mein Leben! –
KATHARINA.
Je mehr er kränkt, je mehr verhöhnt er mich.
Ward ich sein Weib, daß er mich läßt verhungern?
Betritt ein Bettler meines Vaters Haus,
Bekommt er, wie er bittet, gleich die Gabe;
Wo nicht, so find't er anderswo Erbarmen:
Doch ich, die nie gewußt, was Bitten sei,
Und die kein Mangel je zum Bitten zwang,
Ich sterb' aus Hunger, bin vom Wachen schwindelnd,
Durch Fluchen wach, durch Zanken satt gemacht;
Und was mich mehr noch kränkt als alles dies,
Er tut es unterm Schein der zartsten Liebe,
Als könnt's nicht fehlen: wenn ich schliefe, äße,
Würd' ich gefährlich krank und stürbe gleich.
Ich bitte, geh und schaff' mir was zu essen,
Und gleichviel was, wenn's nur genießbar ist. –
GRUMIO.
Was sagt Ihr wohl zu einem Kälberfuß?
KATHARINA.
Ach, gar zu gut, ich bitt' dich, schaff' ihn mir!
GRUMIO.
Das, fürcht' ich, ist ein zu cholerisch Essen. –
Allein ein fett Gekröse, gut geschmort?[124]
KATHARINA.
Das mag ich gern, o Liebster, hol' es mir!
GRUMIO.
Ich weiß doch nicht, ich fürcht', es ist cholerisch.
Was sagt Ihr denn zu Rindfleisch, und mit Senf?
KATHARINA.
Ein Essen, das mir wohl bekommen wird!
GRUMIO.
Ja, ja, doch ist der Senf ein wenig hitzig.
KATHARINA.
Nun, Rindfleisch dann, und laß den Senf ganz weg!
GRUMIO.
Nein, das ist nichts; Ihr nehmt den Senf dabei,
Sonst kriegt Ihr auch das Fleisch von Grumio nicht.
KATHARINA.
Gut, beides oder eins, ganz wie du willst.
GRUMIO.
Also den Senf denn, und kein Fleisch dazu?
KATHARINA.
Mir aus den Augen, Kerl! boshafter Narr!
Abspeisen willst du mich mit Wortgerichten?
Schlägt ihn.
Verwünscht seist du und deine ganze Rotte,
Die sich an meinem Elend noch ergötzt! –
Aus meinen Augen! Fort! –
Petruchio mit einer Schüssel, und Hortensio kommen.
PETRUCHIO.
Wie geht's, mein Käthchen? Herz, so melancholisch?
HORTENSIO.
Nun, seid Ihr guten Muts?
KATHARINA.
Ja! guten Unmuts! –
PETRUCHIO.
Nun lach' mich an, mein Herz, sei wohlgemut!
Hier, Kind, du siehst, wie ich so sorgsam bin:
Selbst richt' ich für dich an und bringe dies.
Setzt die Schüssel auf den Tisch.
Nun! solche Freundlichkeit verdient doch Dank?
Was! nicht ein Wort? Nun dann, du magst es nicht,
Und mein Bemühn ist ganz umsonst gewesen: –
Da! nehmt die Schüssel weg!
KATHARINA.
Bitte, laßt sie stehn!
PETRUCHIO.
Der kleinste Dienst wird ja mit Dank bezahlt,
Und meiner soll's, eh' du dir davon nimmst.
KATHARINA.
Ich dank' Euch, Herr.
HORTENSIO.
Pfui doch, Petruchio, pfui! du bist zu tadeln!
Gesellschaft leist' ich Euch: so kommt und eßt!
PETRUCHIO beiseit.
Iß alles auf, wenn du mich liebst, Hortensio!
Laut.
Nun, wohl bekomm' es dir, mein liebes Herz:[125]
Iß schnell, mein Käthchen! – Nun, mein süßes Liebchen,
Laß uns zurück zu deinem Vater reisen;
Dort laß uns wacker schwärmen und stolzieren,
Mit seidnen Kleidern, Hauben, goldnen Ringen,
Mit Litzen, Spitzen, Samt und tausend Dingen,
Mit Spang' und Armband, wie die höchste Edeldam',
Bernstein, Korall' und Perl' und solchem Trödelkram.
Nun, bist du satt? Dein wartet schon der Schneider
Und bringt zum Putz die raschelnd seidnen Kleider.
Schneider kommt.
Komm, Schneider! Zeig' uns deine Herrlichkeiten! –
Leg' aus das Kleid!
Putzhändler kommt.
Und was habt Ihr zu suchen?
PUTZHÄNDLER.
Hier ist die Haube, die Eu'r Gnaden wünschte.
PETRUCHIO.
Was! Auf 'ne Suppenschüssel abgeformt?
Ein samtner Napf? Pfui doch! gemein und garstig!
Wie eine Walnußschal', ein Schneckenhaus,
Ein Quark, ein Tand, ein Wisch, ein Puppenhäubchen!
Weg mit dem Ding! Schafft eine größre, sag' ich!
KATHARINA.
Ich will sie größer nicht: so ist's die Mode,
So tragen feine Damen jetzt die Hauben.
PETRUCHIO.
Wenn Ihr erst fein seid, sollt Ihr eine haben,
Doch nicht vorher.
HORTENSIO beiseit.
Das wird so bald nicht sein! –
KATHARINA.
Wie, Herr? hab' ich Erlaubnis nicht, zu reden? –
Ja, ich will reden, denn ich bin kein Kind! –
Schon Beßre hörten meine Meinung sonst:
Mögt Ihr das nicht, stopft Euch die Ohren zu!
Mein Mund soll meines Herzens Bosheit sagen,
Sonst wird mein Herz, verschweig' ich sie, zerspringen:
Und ehe das geschehe, will ich frei
Und über alles Maß die Zunge brauchen.
PETRUCHIO.
Du hast ganz recht, es ist 'ne lump'ge Haube,
Ein Tortendeckel, eine Samtpastete;
Ich hab' dich lieb drum, daß sie dir mißfällt.[126]
KATHARINA.
Lieb' oder lieb' mich nicht, die Haub' ist hübsch;
Und keine sonst, nur diese wird mich kleiden.
PETRUCHIO.
Dein Kleid willst du? Ganz recht! Kommt, zeigt es, Schneider!
O Gnad' uns Gott! Welch Faschingsstück ist dies? –
Was gibt's hier? Ärmel? Nein, Haubitzen sind's;
Seht, auf und ab, gekerbt wie Apfelkuchen,
Mit Flippen, Schnipp und Schnapp, gezickt, gezackt,
Recht wie ein Rauchfaß in der Baderstube.
Wie nennst du das in Teufels Namen, Schneider? –
HORTENSIO beiseit.
Ich seh', nicht Kleid noch Haube wird sie kriegen.
SCHNEIDER.
Befohlen habt Ihr's nach dem neusten Schnitt,
So wie die Mod' es heutzutage will.
PETRUCHIO.
Jawohl, das tat ich: Doch besinne dich,
Ich sagte nicht: Verdirb es nach der Mode!
Gleich spring' nach Hause über Stock und Block,
Denn meiner Kundschaft bist du völlig quitt.
Für mich ist's nicht! Fort, mach' mit, was du willst!
KATHARINA.
Ich sah noch nie so schön gemachtes Kleid,
So modisch, sauber, von so hübscher Form:
Ihr wollt mich wohl zur Marionette machen? –
PETRUCHIO.
Recht! Er will dich zur Marionette machen.
SCHNEIDER.
Sie sagt, Euer Gnaden will sie zu einer Marionette machen.
PETRUCHIO.
O ungeheure Frechheit! – Du lügst, du Zwirn,
Du Fingerhut, du Elle,
Dreiviertel-, Halbe-, Viertelelle, Zoll!
Du Floh! Du Mücke! Winterheimchen du!
Trotzt mir im eignen Haus ein Faden Zwirn? –
Fort, Lappen du! Du Überrest, du Zutat!
Sonst mess' ich mit der Elle dich zurecht,
Daß du zeitlebens solch Gewäsch verlernst.
Ich sag' es, ich! Du hast ihr Kleid verpfuscht.
SCHNEIDER.
Eu'r Gnaden irrt: das Kleid ist so gemacht,
Just so, wie's meinem Meister ward befohlen: –
Grumio gab Ordre, wie es werden sollte.
GRUMIO.
Ich gab nicht Ordre; Zeug hab' ich gegeben.[127]
SCHNEIDER.
Und wie verlangtet Ihr's von ihm gemacht? –
GRUMIO.
Zum Henker, Herr, mit Nadel und mit Zwirn.
SCHNEIDER.
Doch sagt, nach welchem Schnitt Ihr's habt bestellt?
GRUMIO.
Du hast wohl schon allerlei geschnitten?
SCHNEIDER. O ja, das habe ich.
GRUMIO. Schneide mir aber kein Gesicht! Du hast auch schon manchen herausgeputzt; mich verschone aber mit deinen Ausputzern! Ich sage dir, ich hieß deinem Meister, er solle das Kleid schneiden; ich hieß ihm aber nicht, es in Stücke schneiden: ergo, du lügst.
SCHNEIDER. Nun, hier ist der Zettel mit der Bestellung, mir zum Zeugen.
PETRUCHIO. Lies ihn!
GRUMIO. Der Zettel lügt in seinen Hals, wenn er sagt, ich habe es so bestellt.
SCHNEIDER. »In primis, ein freies, loses Kleid.«
GRUMIO. Herr, wenn ich ein Wort von freiem, losem Wesen gesagt habe, so näht mich in des Kleides Schleppe, und schlagt mich mit einem Knäuel braunen Zwirn tot: ich sagte bloß »Kleid«.
PETRUCHIO. Weiter.
SCHNEIDER. »Mit einem kleinen runden Kragen.«
GRUMIO. Ich bekenne den Kragen.
SCHNEIDER. »Mit einem Pauschärmel.«
GRUMIO. Ich bekenne zwei Ärmel.
SCHNEIDER. »Die Ärmel niedlich zugespitzt und ausgeschnitten.«
PETRUCHIO. Ja, das ist die Spitzbüberei.
GRUMIO. Der Zettel lügt, Herr, der Zettel lügt. Ich befahl, die Ärmel sollten ausgeschnitten und wieder zugenäht werden, und das will ich an dir gut machen, wenn auch dein kleiner Finger mit einem Fingerhut gepanzert ist.
SCHNEIDER. Was ich gesagt habe, ist doch wahr, und hätte ich dich nur, ich weiß wohl, wo, du solltest es schon erfahren.
GRUMIO. Ich steh' dir gleich bereit: nimm du die Rechnung, gib mir die Elle und schone mich nicht!
HORTENSIO. Ha! Ha! Grumio, dabei käme er zu kurz. –
PETRUCHIO. Nun, kurz und gut, das Kleid ist nicht für mich.
GRUMIO. Da habt Ihr recht, 's ist für die gnäd'ge Frau.[128]
PETRUCHIO. Geh, nimm es auf zu deines Herrn Gebrauch!
GRUMIO. Schurke, bei deinem Leben nicht: meiner gnädigen Frau das Kleid aufnehmen zu deines Herrn Gebrauch? –
PETRUCHIO. Nun, Mensch, was denkst du dir dabei? –
GRUMIO. O Herr, die Meinung geht tiefer, als Ihr denkt: Meiner gnädigen Frau Kleid aufnehmen zu seines Herrn Gebrauch? O pfui! pfui! pfui! –
PETRUCHIO beiseit.
Hortensio, sag, du woll'st dem Schneider zahlen, –
laut
Geh! Nimm es mit! Fort, und kein Wort nun weiter! –
HORTENSIO.
Schneider, das Kleid bezahl' ich morgen dir,
Und nimm die hast'gen Reden ihm nicht übel;
Geh, sag' ich dir, und grüß' mir deinen Meister!
Schneider ab.
PETRUCHIO.
So, Käthchen, komm! Besuchen wir den Vater,
So wie wir sind, in unsern schlichten Kleidern;
Stolz soll der Beutel sein, der Anzug arm,
Denn nur der Geist macht unsern Körperreich.
Und wie die Sonne bricht durch trübste Wolken,
So strahlt aus niedrigstem Gewand die Ehre.
Was? ist der Häher edler als die Lerche,
Weil sein Gefieder bunter fällt ins Auge?
Und ist die Otter besser als der Aal,
Weil ihre fleck'ge Haut das Aug' ergötzt?
O Käthchen, nein; so bist auch du nicht schlimmer
Um diese arme Tracht und schlechte Kleidung.
Doch hältst du's schimpflich so, gib mir die Schuld,
Und drum frisch auf: wir wollen gleich dahin,
Beim Vater froh und guter Dinge sein. –
Geht, meine Leute ruft, gleich reiten wir,
Die Pferde führt zum Heckentor hinaus,
Da setzen wir uns auf und gehn so weit.
Laßt sehn: ich denk', es ist jetzt sieben Uhr,
Wir können dort sein noch zum Mittagessen.
KATHARINA.
Herr, ich versichr' Euch, es hat zwei geschlagen,
Und kaum zum Abendessen kommt Ihr hin.
PETRUCHIO.
Es soll nun sieben Uhr sein, eh' wir reiten.[129]
Sieh, was ich sag' und tu' und möchte tun,
Stets mußt du widersprechen! Leute, laßt uns,
Ich will nun heut nicht fort: und eh' ich reite,
Da soll's die Stunde sein, die ich gesagt.
HORTENSIO.
Der große Herr stellt gar die Sonne rückwärts! –
Gehn ab.
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