Erste Szene

[114] Saal bei Petruchio.


Grumio tritt auf.


GRUMIO. Hol' die Pest alle müden Schindmähren, alle tolle Herrn und alle schlechten Wege! Ward je einer so geprügelt? – Je einer so durchgebläut? Ist je ein Mensch so müde gewesen? Ich bin vorausgeschickt, um Feuer zu machen, und sie kommen hinter mir drein, um sich zu wärmen. Wär' ich nun nicht so ein kleiner Topf und bald heiß im Kopf, mir würden die Lippen an die Zähne frieren, die Zunge an den Gaumen, das Herz an die Rippen, ehe ich zu einem Feuer käme, um mich aufzutauen. Aber ich gedenke das Feuer anzublasen und mich damit zu wärmen, denn wenn man dies Wetter erwägt, so kann ein viel größrer Kerl, als ich bin, sich den Schnupfen holen. Holla, he! Curtis! –


Curtis kommt.


CURTIS. Wer schreit da so erfroren?

GRUMIO. Ein Stück Eis. Wenn du es nicht glauben willst, so kannst du von meinen Schultern zu meinen Füßen so geschwind hinunterglitschen, als wie vom Kopf bis zum Genick. Feuer, liebster Curtis! –

CURTIS. Kommen denn unser Herr und seine Frau, Grumio?

GRUMIO. Ja doch, Curtis, o ja! Und darum Feuer, Feuer, tu' kein Wasser an! –

CURTIS. Ist sie denn solch eine hitzige Widerspenstige, wie man sagt? –

GRUMIO. Das war sie, guter Curtis, vor diesem Frost; aber du weißt, der Winter zähmt Mann, Frau und Vieh; denn er hat[114] meinen alten Herrn und meine neue Frau gezähmt, und mich selbst, Kam'rad Curtis.

CURTIS. Geh mir, du dreizölliger Geck! Ich bin kein Vieh! –

GRUMIO. Halt' ich nur drei Zoll? Ei was! Dein Horn mißt einen Fuß, und so lang bin ich zum wenigsten. Aber willst du Feuer anmachen? Oder soll ich Klage über dich bei unsrer Frau führen, deren Hand (denn sie ist hier gleich bei der Hand) du bald fühlen wirst, als einen kalten Trost dafür, daß du langsam bist in deinem heißen Dienst? –

CURTIS. Bitt' dich, lieber Grumio, erzähle mir was: wie geht's in der Welt? –

GRUMIO. Kalt geht's in der Welt, Curtis, in jedem andern Dienst als im deinigen; und darum Feuer; Tu', was dir gebührt, und nimm, was dir gebührt: denn unser Herr und seine Frau sind beinahe totgefroren.

CURTIS. Das Feuer brennt, und also nun erzähle was Neues, guter Grumio!

GRUMIO. I nun. Singt. He Hans! Ho Hans! so viel Neues du willst.

CURTIS. Ach geh, du bist immer so voller Flausen.

GRUMIO. Nun also mach' Feuer, denn ich bin auch voller Kälte. Wo ist der Koch? Ist das Abendessen fertig? Ist das Haus gescheuert, Binsen gestreut, Spinnweben abgefegt, die Knechte in ihren neuen Jacken und weißen Strümpfen? Hat jeder Bediente sein hochzeitlich Kleid an? Sind die Gläser aus dem Schrank, und die Becher blank? die Teppiche gelegt, und alles in Ordnung? –

CURTIS. Alles fertig, und darum bitt' ich dich, was Neues.

GRUMIO. Erstlich wisse, daß mein Pferd müde ist; daß mein Herr und meine Frau übereinander hergefallen sind ...

CURTIS. Wie? handgreiflich? –

GRUMIO. Aus ihrem Sattel in den Kot, übereinander; und davon ließe sich eine Geschichte erzählen.

CURTIS. Nun laß hören, liebster Grumio!

GRUMIO. Dein Ohr her! –

CURTIS. Ja!

GRUMIO. Da! Gibt ihm eine Ohrfeige.

CURTIS. Das heißt eine Geschichte fühlen, nicht eine Geschichte hören.[115]

GRUMIO. Und darum nennt man's eine gefühlvolle Geschichte: und dieser Schlag sollte nur an dein Ohr anklopfen und sich Gehör ausbitten. Nun fang' ich an. In primis, wir kamen einen schmutzigen Berg herab, mein Herr ritt hinter meiner gnädigen Frau. –

CURTIS. Beide auf einem Pferde?

GRUMIO. Was denkst du dir dabei?

CURTIS. Ei, ein Pferd.

GRUMIO. Erzähle du die Geschichte! Aber wärst du mir nicht dazwischen gekommen, so hättest du gehört, wie ihr Pferd fiel, und sie unter ihr Pferd! Du hättest gehört, an welcher schmutzigen Stelle, und wie durchnäßt sie war; wie er sie liegen ließ mit dem Pferde auf ihr; wie er mich prügelte, weil ihr Pferd gestolpert war; wie sie durch den Kot watete, um ihn von mir wegzureißen; wie er fluchte, wie sie betete, sie, die noch nimmermehr gebetet hatte; wie ich heulte, wie die Pferde davon liefen, wie ihr Zügel zerriß, wie ich meinen Schwanzriemen verlor, nebst vielen andern denkwürdigen Historien, welche nun in Vergessenheit sterben, und du kehrst ohne Weltkenntnis in dein Grab zurück.

CURTIS. Nach dieser Rechnung ist er ja widerspenstiger als sie? –

GRUMIO. Ja, und das werden die Frechsten von euch allen erfahren, wenn er zu Hause kommt. Aber warum schwatze ich hier? Ruf' Nathanael, Joseph, Niklas, Philipp, Walter, Haberkuckuck und die andern her: laß sie ihre Köpfe glattkämmen, ihre blauen Röcke ausbürsten, ihre Kniegürtel sollen sie nicht anstößig binden, mit dem linken Fuß ausscharren, und sich's nicht unterstehn, ein Haar von meines Herrn Pferdeschwanz anzurühren, bis sie sich die Hand geküßt haben. Sind sie alle fertig? –

CURTIS. Das sind sie.

GRUMIO. Ruf' sie her!

CURTIS. Hört Ihr! He! Ihr sollt dem Herrn entgegen gehn! – und meiner gnädigen Frau ein rechtes Ansehn geben! –

GRUMIO. Nun, sie ist selbst schon ansehnlich genug!

CURTIS. Das ist gewiß.[116]

GRUMIO. Nun, was rufst du denn die Leute, ihr ein Ansehn zu geben? –

CURTIS. Ich meine, sie sollen ihr Kredit verschaffen.

GRUMIO. Ei was, sie wird ja nichts von ihnen borgen wollen.


Mehrere Bediente kommen.


NATHANAEL. Willkommen zu Hause, Grumio!

PHILIPP. Wie geht's, Grumio?

JOSEPH. Ei, Grumio?

NIKLAS. Kamerad Grumio?

NATHANAEL. Wie geht's, alter Junge?

GRUMIO. Willkommen du! – Wie geht's, du? – Ei, du! – Kamerad, du! – und so viel fürs Grüßen. – Nun, ist alles fertig? Ist jedes Ding niedlich, meine schmucken Kerlchen?

NATHANAEL. Jedes Ding ist fertig. – Wie nah ist der Herr?

GRUMIO. Ganz nah, vielleicht schon abgestiegen, und darum – Potz Sapperment, seid still! Ich höre meinen Herrn.


Petruchio und Katharina kommen.


PETRUCHIO.

Wo sind die Schurken? Was? Kein Mensch am Tor

Hielt mir den Bügel, nahm das Pferd mir ab? –

Wo sind Nathanael, Philipp und Gregor?

ALLE.

Hier, Herr!

PETRUCHIO.

Hier, Herr! Hier, Herr! Hier, Herr! Hier, Herr! –

Ihr tölpelhaften, schlecht gezognen Flegel!

Was! keine Ordnung? kein Respekt? kein Dienst?

Wo ist der dumme Kerl, den ich geschickt?

GRUMIO.

Hier, Herr, noch ganz so dumm, und doch geschickt.

PETRUCHIO.

Du Bauerlümmel! Du verdammter Karrngaul!

Sollt'st du im Park uns nicht entgegen kommen

Und all die faulen Schlingel mit dir bringen? –

GRUMIO.

Nathanaels Rock, Herr, war noch nicht ganz fertig,

An Philipps Korduanschuh'n war noch kein Eisen,

Kein Fackelruß, um Peters Hut zu schwärzen,

An Walters Dolch die Scheide noch in Arbeit,

Niemand in Staat, als Ralph, Gregor und Adam,

Die andern lumpig, alt und bettelhaft: –

Doch wie sie sind, hab' ich sie hergeholt.[117]

PETRUCHIO.

Geht, Schlingel! Geht, besorgt das Abendessen!


Einige von den Dienern ab.


Singt.


Wo ist mein vor'ges Leben hin? –

– Wo sind die – Setz' dich, Käthchen! Sei willkommen!

Hum, hum, hum, hum!

Wird's bald? he? – Nun, lieb Käthchen, sei vergnügt! –

– Die Stiefel ab, ihr Schlingel, Schufte! Wird's? –

Singt.


Ein Bruder Graurock lobesan

Kam seines Wegs getrost heran –

Spitzbube! du verrenkst mir ja das Bein!

Nimm das! Und zieh' den andern besser aus!


Schlägt ihn.


– Sei lustig, Käthchen! – Wasser her! Geschwind!

– Wo ist mein Windspiel Troilus? Kerl, gleich hin,

Mein Vetter Ferdinand soll zu uns kommen:


Ein Diener ab.


Den mußt du küssen, Kind, ihm freundlich sein.

Her die Pantoffeln! Krieg' ich denn kein Wasser?


Es wird ihm ein Becken gebracht.


Komm, Käthchen, wasch' dich! Und nochmals willkommen! –


Der Bediente wirft die Kanne hin.


Verdammter Hundsfott! Mußt du's fallen lassen?


Schlägt ihn.


KATHARINA.

Geduld, ich bitt', er tat es unversehens! –

PETRUCHIO.

Ein Hurensohn! Ein Eselsohr von Dickkopf! –

Komm, Käthchen, setz' dich: hungrig mußt du sein;

Sprichst du das Gratias, Liebchen, oder ich? –

Was ist das? Schöps? –

ERSTER DIENER.

Ja.

PETRUCHIO.

Und wer bracht' es?

ERSTER DIENER.

Ich.

PETRUCHIO.

Es ist verbrannt, und so ist alles Essen:

Welch Hundevolk! Wo ist der Koch, die Bestie?[118]

Wie wagt ihr, Schurken, das mir anzurichten,

Mir vorzusetzen, was ich doch nicht mag? –

Da! Fort damit! Fort Teller, Becher! Alles! –


Wirft Essen und Tischzeug auf die Erde.


Einfält'ge Lümmel! Ungeschliffnes Volk!

Was? brummt ihr noch? Gleich werd' ich bei euch sein.

KATHARINA.

Ich bitt' dich, lieber Mann, sei nicht so unwirsch:

Gut war das Essen, hätt'st du's nur gemocht!

PETRUCHIO.

Nein, Käthchen, 's war vertrocknet und verbrannt:

Und grade das hat man mir streng verboten,

Denn auf die Galle wirkt's, erzeugt den Ärger:

Drum ist es besser, wenn wir beide fasten

(Denn beide sind wir von Natur cholerisch),

Als durch zu stark Gebratnes uns verderben.

Geduld, mein Kind; wir holen's morgen ein,

Doch diese Nacht woll'n wir gemeinsam fasten:

Komm nun, ich führ' dich in dein Brautgemach.


Katharina, Petruchio und Curtis ab.


NATHANAEL.

Peter, sag, hast du so was je gesehn?

PETER.

Die macht er tot in ihrer eignen Manier.


Curtis kommt zurück.


GRUMIO.

Wo ist er?

CURTIS.

Drin mit ihr,

Hält ihr 'ne Predigt von Enthaltsamkeit,

Zankt, flucht und schilt, und sie, das arme Ding,

Wagt kaum noch aufzusehn, zu stehn, zu reden,

Und sitzt, wie eben aus 'nem Traum erwacht.

Fort! fort! da kommt er wieder her! –


Sie laufen fort.


Petruchio kommt zurück.


PETRUCHIO.

So hab' ich klugerweis' mein Reich begonnen,

Und hoffe, ferner glücklich zu regieren.

Mein Falk ist nun geschärft und tüchtig hungrig,

Und bis er zahm ist, kriegt er auch kein Futter:[119]

Sonst wird er nie auf meinen Wink gehorchen. –

Noch kirr' ich anders meinen wilden Sperber,

So daß er kommt und kennt des Wächters Ruf:

Wach bleibt er, wie den Habicht wir bewachen,

Der schlägt und stößt und nicht gehorchen will.

Heut aß sie nichts, und soll auch nichts bekommen,

Schlief nicht die Nacht, und soll's auch diese nicht:

Wie bei dem Essen stell' ich mich, als wär'

Das Bett ganz unrecht und verkehrt gemacht:

Dahin werf' ich den Pfühl, dorthin das Kissen,

Die Deck' auf jene Seit', auf die das Laken;

Ja, bei dem Wirrwarr schwör' ich noch, ich tu'

Das alles nur aus zarter Sorg' um sie.

Kurz, sie soll wachen diese ganze Nacht;

Nickt sie nur etwas ein, so zank' und tob' ich,

Um durch mein Schrei'n den Schlaf ihr zu verscheuchen.

Dies ist die Art, durch Lieb' ein Weib zu töten;

So beug' ich ihren harten, störr'gen Sinn.

Wer Widerspenst'ge besser weiß zu zähmen,

Mag christlich mir's zu sagen sich bequemen.


Ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 114-120.
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