Fünfte Szene

[133] Feld.


Petruchio, Katharina und Hortensio treten auf.


PETRUCHIO.

Um's Himmels willen, schnell! Nochmals zum Vater! –

Mein Gott, wie hell und freundlich scheint der Mond! –

KATHARINA.

Der Mond? Die Sonne! Jetzt scheint ja nicht der Mond! –

PETRUCHIO.

Ich sag', es ist der Mond, der scheint so hell.

KATHARINA.

Ich weiß gewiß, die Sonne scheint so hell.

PETRUCHIO.

Bei meiner Mutter Sohn, und das bin ich,

Mond soll's sein, oder Stern, oder was ich will,

Eh' ich zu deinem Vater weiter reise:

Geht nur und holt die Pferde wieder her!

Stets Widerspruch! und nichts als Widerspruch! –

HORTENSIO.

Gebt ihm doch recht, sonst kommt Ihr nicht vom Fleck.

KATHARINA.

Nein, bitt' Euch, kommt, da wir so weit gelangt;

Sei's Mond und Sonn' und was dir nur gefällt,

Und wenn du willst, magst du's ein Nachtlicht nennen;

Ich schwör', es soll für mich dasselbe sein.[133]

PETRUCHIO.

Ich sag', es ist der Mond.

KATHARINA.

Natürlich ist's der Mond.

PETRUCHIO.

Ei, wie du lügst! 's ist ja die liebe Sonne! –

KATHARINA.

Ja, lieber Gott! es ist die liebe Sonne! –

Doch nicht die Sonne, wenn du's anders willst:

Der Mond auch wechselt, wie es dir gelüstet,

Und wie du's nennen willst, das ist es auch,

Und soll's gewiß für Katharinen sein.

HORTENSIO.

Glück auf, Petruchio, denn der Sieg ist dein.

PETRUCHIO.

Nun vorwärts denn! So läuft die Kugel recht

Und nicht verdreht mehr gegen ihre Richtung.

Doch still! Was für Gesellschaft kommt uns da? –


Vincentio in Reisekleidern tritt auf.


Zum Vincentio.


Gott grüß' Euch, schönes Mädchen! Wohinaus?

Sprich, liebes Käthchen, sprich recht offenherzig,

Sahst du wohl je ein frischres Frauenbild? –

Wie kämpft auf ihrer Wange Rot und Weiß!

Nie funkeln wohl zwei Sterne so am Himmel,

Wie an dem Himmelsantlitz ihre Augen.

Du holdes Kind, noch einmal guten Morgen;

Käthchen, umarm' sie ihrer Schönheit wegen!

HORTENSIO.

Er macht den Mann noch toll, den er zur Frau macht.

KATHARINA.

Aufblüh'nde Schöne! Frische Mädchenknospe,

Wohin des Weges? Wo ist deine Heimat? –

Glücksel'ge Eltern von so schönem Kind!

Glücksel'ger noch der Mann, dem günst'ge Sterne

Zur holden Eh'genossin dich bestimmten! –

PETRUCHIO.

Was! Käthchen! Ei, ich hoff', du bist nicht toll?

Das ist ein Mann, alt, runzlig, welk und grau,

Und nicht ein Mädchen, wie du doch behauptest.

KATHARINA.

Verzeiht dem Wahn der Augen, alter Vater;

Die Sonne traf mir blendend das Gesicht,

Und was ich sah, erschien mir jung und grün.

Nun merk' ich erst, Ihr seid ein würd'ger Greis:

Verzeiht, bitt' ich, dies törichte Verkennen!

PETRUCHIO.

Tu's, guter alter Mann, und laß uns wissen,[134]

Wohin du reisest. – Ist es unser Weg,

Soll die Gesellschaft uns erfreulich sein.

VINCENTIO.

Mein werter Herr, und schöne muntre Dame,

Die durch solch seltsam Grüßen mich erschreckt, –

Vincentio heiß' ich, komm' aus Pisa her,

Nach Padua geh' ich jetzt, dort zu besuchen

Den Sohn, den ich seit lange nicht gesehn.

PETRUCHIO.

Wie heißt er? sagt!

VINCENTIO.

Lucentio, edler Herr.

PETRUCHIO.

Das trifft sich gut, für deinen Sohn am besten:

Und nach Verwandtschaft nun, wie nach dem Alter

Mag ich Euch jetzt geliebter Vater nennen.

Die Schwester meiner Frau hier, dieser Dame,

Ist deines Sohnes Weib jetzt; staune nicht,

Noch zürne drum: untadlig ist ihr Ruf,

Die Mitgift reich, sie selbst aus gutem Hause,

Auch außerdem von Sitt' und Eigenschaft,

Wie eines Edelmanns Gemahlin ziemt.

Erlaubt, Vincentio, daß ich Euch umarme,

Und gehn wir, deinen wackern Sohn zu sehn.

Den deine Ankunft sicher hoch erfreut.

VINCENTIO.

Ist's Wahrheit? Oder ist's nur kecker Mutwill',

Daß Ihr als lust'ger Reisender die Laune

An Fremden übt, die auf der Straß' Ihr findet?

HORTENSIO.

Nein, ich versichr' Euch, alter Herr, so ist's.

PETRUCHIO.

Komm, geh nur mit und sieh die Wahrheit selbst;

Du traust wohl nicht, weil wir dich erst geneckt.


Petruchio, Katharina und Vincentio ab.


HORTENSIO.

Petruchio, schön! Du hast mir Herz gemacht! –

Zur Witwe! Wär' sie noch so widerspenstig,

Jetzt hast du Selbstvertraun und Mut und kennst dich.


Ab.[135]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 133-136.
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