Erste Szene

[11] Zimmer.


Adriana und Luciana treten auf.


ADRIANA.

Mein Mann kommt nicht zurück, auch nicht der Diener,

Den ich so eilig sandt', ihn aufzusuchen;

Gewiß, Luciana, es ist schon zwei Uhr.

LUCIANA.

Vielleicht, daß ihn ein Kaufmann eingeladen

Und er vom Markt zur Mahlzeit ging wohin.

Laß jetzt uns essen, Schwester; sei nicht mürrisch,

Ein Mann ist über seine Freiheit Herr,

Die Zeit der Männer Herrin; wie sie's fügt,

Gehn sie und kommen; drum sei ruhig, Schwester!

ADRIANA.

Ward Männern größre Freiheit zugeteilt?

LUCIANA.

Ja, weil ihr Streben nicht im Hause weilt.

ADRIANA.

Wollt' ich ihm so begegnen, trüg' er's kaum!

LUCIANA.

Du weißt, der Mann ist deines Willens Zaum.

ADRIANA.

Nur Esel zäumt man so bequem und leicht!

LUCIANA.

Nun, trotz'ge Freiheit wird durch Zucht gebeugt.

Kein Wesen gibt's, das nicht gebunden wär',

Sei's auf der Erde, sei's in Luft und Meer;

Tier, Fisch und Vogel folgt als seinem König

Dem Manne stets und ist ihm untertänig;

Den Menschen, göttlicher, – den Weltgebieter,

Der weiten Erd' und wilden Fluten Hüter,

Dem sein Verstand und seines Wissens Kraft

Den Vorrang über Fisch und Vogel schafft, –

Verehrt das Weib als machtbegabten Herrn:

Drum dien' auch du, und folg' ihm treu und gern!

ADRIANA.

Um nicht zu dienen, bleibst du unvermählt?[11]

LUCIANA.

Nein! weil der Eh'stand so viel Sorgen zählt.

ADRIANA.

Doch wärst du Frau, trügst du die Knechtschaft still?

LUCIANA.

Gehorchen lern' ich, eh' ich lieben will. –

ADRIANA.

Wie, wenn dein Mann fortbliebe, hielt'st du's aus?

LUCIANA.

Ich harrte ruhig, bis er käm' nach Haus!

ADRIANA.

Geduld, nie aufgereizt, wird leicht geübt;

Sanftmütig bleibt der wohl, den nichts betrübt.

Den Armen, den das Unglück ganz verstört,

Spricht man zur Ruh', wenn man ihn weinen hört; –

Doch trügst du gleiche Schmerzen, gleiche Plagen,

Du würdest selbst noch bittrer dich beklagen.

Dich hat kein rauher Gatte je beleidigt,

Sonst hätt'st du wohl Geduld nicht zahm verteidigt;

Wird erst ein Mann so viel an dir verschulden,

Dann jagst du aus dem Dienst blödsinnig Dulden.

LUCIANA.

Nun wohl, wer weiß! Zur Probe möcht' ich frein. –

Da kommt dein Knecht, weit kann dein Mann nicht sein.


Dromio von Ephesus kommt.


ADRIANA. Sprich, ist dein säum'ger Herr jetzt bei der Hand?

DROMIO VON EPHESUS. Nein, mit mir war er bei zwei Händen, und das können meine zwei Ohren bezeugen.

ADRIANA. Sag, sprachst du ihn? Vernahmst du sein Begehr?

DROMIO VON EPHESUS.

Ja, sein Begehren schrieb er mir aufs Ohr;

Ich faßt' ihn nicht, wie schlagend auch die Gründe.

LUCIANA. Sprach er so zweideutig, daß du seine Meinung nicht begreifen konntest?

DROMIO VON EPHESUS. Nein, er schlug so grade zu, daß mein Rücken die Schläge nur zu gut begriff; und dabei doch so zweideutig, daß ich sie kaum fassen konnte.

ADRIANA.

Doch sag, ich bitt' dich, kommt er bald nach Haus?

Mir scheint, er denkt recht treu an seine Frau! –

DROMIO VON EPHESUS.

Hört, Frau, der Herr ist, glaub' ich, hörnertoll.

ADRIANA.

Wie, Schurke! Hörnertoll?

DROMIO VON EPHESUS.

Nicht hahnreitoll, doch sicher rasend toll;

Als ich ihn bat, zum Essen heim zu kommen,

So fragt' er mich nach tausend Mark in Gold.[12]

»'s ist Essenszeit«, sagt' ich; »mein Gold«, sagt' er.

»Das Fleisch brennt an«, sagt' ich; »mein Gold!« sagt' er.

»Kommt Ihr nicht bald?« sagt' ich; »mein Gold!« sagt' er;

»Wo sind die tausend Mark, die ich dir gab?«

»Die Gans verbrennt«, sagt' ich; »mein Gold!« sagt' er.

»Die Frau«, sprach ich – »zum Henker mit der Frau!«

»Ich weiß von keiner Frau; fort mit der Frau!« –

LUCIANA.

Sprach wer?

DROMIO VON EPHESUS.

Sprach unser Herr;

»Ich weiß«, sprach er, »von Haus nicht, noch von Hausfrau«; –

Und meinen Auftrag, der der Zunge zukam,

Trägt meine Schulter heim, das dank' ich ihm:

Denn, kurz und gut, er gab mir Schläge drauf.

ADRIANA.

Geh wieder hin, du Schurk', und hol' ihn her!

DROMIO VON EPHESUS.

Noch einmal gehn, und neue Prügel holen?

Um Gottes willen, schickt 'nen andern Boten!

ADRIANA.

Lauf, Schurk', sonst schlag' ich kreuzweis' dir den Kopf!

DROMIO VON EPHESUS.

Dann segnet er das Kreuz mit neuen Schlägen,

Und so bekomm' ich ein geweihtes Haupt.

ADRIANA.

Fort, Plaudermaul, hol' deinen Herrn zurück! –

DROMIO VON EPHESUS.

Bin ich so rund mit Euch, als Ihr mit mir,

Daß Ihr mich wie 'nen Fußball schlagt und stoßt?

Hin und zurück nach Lust schlägt mich ein jeder:

Soll das noch lange währ'n, so näht mich erst in Leder!


Geht ab.


LUCIANA.

Pfui, wie entstellen dich die zorn'gen Falten!

ADRIANA.

Er wird gewiß sein Liebchen unterhalten,

Indes ich hier mit seinem Lächeln geize.

Nahm schon das Alter aller Anmut Reize

Von meiner Wange? Sein dann ist die Schuld! –

Ist stumpf mein Witz? mein Wesen ohne Huld?

Verlernt' ich die gewandte, flücht'ge Rede,

Durch seine Kält' und Rauheit ward sie spröde.

Wenn ihm der andern muntrer Putz gefällt,

Ist's mein Vergehn, was er mir vorenthält? –[13]

Was für Ruinen magst du an mir finden,

Die nicht sein Werk? Wenn meine Reize schwinden,

Er will es so; von ihm ein Sonnenblick

Brächt' alle vor'ge Anmut mir zurück.

Doch er, der wilde Hirsch, rennt aus den Pfählen

(Mein ist er satt), sich auswärts Kost zu stehlen.

LUCIANA.

Selbstqual der Eifersucht! Hör' auf zu klagen! –

ADRIANA.

Ein fühllos Herz mag solche Schmach ertragen!

Ich weiß, sein Sehnen treibt ihn stets von hier;

Wo weilt er sonst? Was bleibt er nicht bei mir?

Du weißt es, er versprach mir eine Kette; –

Ach, wär's nur das, was er vergessen hätte,

So wär' ihm doch mein Bett nicht schon verhaßt! –

Ich seh', ein Kleinod, noch so reich gefaßt,

Erblindet; zwar, den Wert wird's nicht verlieren,

Wenn man's berührt; doch allzu oft Berühren

Raubt ihm den Glanz; so gibt's auch keine Ehre,

Der Trug und Falschheit nicht verderblich wäre; –

Und kann ich nicht durch Schönheit um ihn werben,

Will ich, den Rest verweinend, trostlos sterben.

LUCIANA.

O Torheit, so durch Eifersucht verderben!


Sie gehen ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 11-14.
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