[204] Platz.
Eglamour tritt auf.
EGLAMOUR.
Um diese Zeit hat Silvia mich bestellt,
Und jetzt soll ich erfahren, was sie wünscht;
Zu etwas Wicht'gem will sie mich gebrauchen. –
Fräulein!
Silvia erscheint oben am Fenster.
SILVIA.
Wer ruft?
EGLAMOUR.
Eu'r Diener und Eu'r Freund,
Der Euren gnädigen Befehl erwartet.
SILVIA.
Herr Eglamour, viel tausend gute Morgen!
EGLAMOUR.
So viele, wertes Fräulein, wünsch' ich Euch.
Nach Euer Gnaden Willen und Geheiß
Kam ich so früh, zu hören, welchen Dienst
Es Euch gefallen wird mir aufzutragen.
SILVIA.
O Eglamour, du bist ein Edelmann
(Ich schmeichle nicht, ich schwör', ich tu' es nicht),
Gewissenhaft, klug, tapfer ohne Tadel.
Dir ist nicht unbekannt, welch holden Sinn
Ich dem verbannten Valentin gehegt,
Noch, wie mein Vater mich mit Zwang will geben
Dem albern' Thurio, den mein Herz verabscheut.
Du hast geliebt, und sagen hört' ich dich,
Kein Schmerz kam deinem Herzen je so nah,
Als deiner Braut, der treu geliebten, Tod,
Auf deren Grab du ew'ge Keuschheit schwurest.
Herr Eglamour, ich wünschte Valentin
In Mantua aufzusuchen, wo er lebt;
Und, da die Wege jetzt gefährlich sind,
So wünsch' ich deine adlige Gesellschaft
Nur im Vertraun auf deine wahre Ehre.
Sprich von des Vaters Zorn nicht, Eglamour,
Mein Leid nur sei dir wichtig, einer Dame;
Bedenk', mit welchem Recht ich fliehen muß,
Mich vor gottlosem Ehebund zu schützen,
Den Welt und Himmel heim mit Strafen suchen.[204]
Ich bitte flehend dich, mit einem Herzen
So voll von Trübsal, wie die See voll Sand,
Gefährte mir zu sein und mit zu gehn;
Wo nicht, so berge, was ich dir entdeckt,
Daß ich allein mein Abenteuer wage.
EGLAMOUR.
Mich jammert, Fräulein, Euer schwer Bedrängnis,
Und da ich Eures Herzens Tugend kenne,
Geb' ich den Willen drein, mit Euch zu reisen;
Nicht achtend, was mich irgend fährden könnte,
Wie ich nur eifrig Eure Wohlfahrt wünsche.
Wann wollt Ihr reisen?
SILVIA.
Wie der Abend kommt.
EGLAMOUR.
Wo treff' ich Euch?
SILVIA.
In Bruder Patriks Zelle,
Wohin zur heil'gen Beicht' ich mich verfüge.
EGLAMOUR.
Ich werd' Euch, teures Fräulein, nicht verfehlen.
Prinzessin, guten Morgen!
SILVIA.
Habt guten Morgen, teurer Eglamour!
Gehn ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Die beiden Veroneser
|
Buchempfehlung
Der lyrische Zyklus um den Sohn des Schlafes und seine Verwandlungskünste, die dem Menschen die Träume geben, ist eine Allegorie auf das Schaffen des Dichters.
178 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro