[56] (Ein anderer Theil des Waldes.)
Gerrold, vier Bauern als Morristänzer, ein fünfter als Pavian, vier Landmädchen mit einem Tambourinschläger treten auf.
GERROLD.
Pfui, wie ihr ungeschickt und täppisch seid!
Hab' ich so lang' euch mit der Muttermilch
Der Weisheit aufgepäppelt, so zu sagen
Mit meiner Lehre Mark und Pflaumentunk'
Herangefüttert, daß ihr nun nichts wißt,
Als immer nur wie? wo? weshalb? zu fragen?
Ihr Esel, sagt' ich nicht: »So soll es sein«,
Und »Hier soll's sein« und »Dann soll's sein«? Doch keiner
Von euch begriff's. Proh Deum, medius fidius,
Schafsköpfe seid ihr alle. – Hier steh' ich.
Weswegen, he? Weil hier der Herzog kommt!
In dem Gebüsch hier nebenan steht ihr;
Sobald er kommt, geh' ich entgegen ihm
Und sprech' ihm allerlei gelehrte Dinge
In kräft'gen Bildern vor. Er horcht und nickt,
Ruft dann: »Vortrefflich!« Und ich fahre fort.
Dann werf' ich meine Mütze in die Luft,
Das ist das Zeichen, – dann brecht ihr hervor
Wie Meleager und der wilde Eber,
Doch zierlich, wie es Treuverliebten ziemt,
Stellt euch in Positur und tanzt ihm, Jungens,
Mit zartem Anstand euren Reigen vor.
ERSTER BAUER.
Ja, ja, mit zartem Anstand, Meister Gerrold.
ZWEITER BAUER.
Nu kommt! Wo ist der mit dem Tamburin?
DRITTER BAUER.
Herr Timothe, wo bist du?
TIMOTHE.
Hier Kam'raden![56]
GERROLD.
Und wo sind eure Mädchens?
VIERTER BAUER.
Hier ist Fritze
Und Lorchen hier –
ZWEITER BAUER.
Und da das kleine Lieschen
Mit ihren weißen Beinen – und Karline –
ERSTER BAUER.
Und Nelly mit den Sommersprossen.
GERROLD.
Habt
Ihr auch die Bänder nicht zu Haus vergessen?
Nun, nur recht frei und lose in den Hüften,
Und hin und wieder einen kleinen Hops!
NELLY.
Das werden wir schon machen!
GERROLD.
Aber wo
Ist die Musik?
DRITTER BAUER.
Vertheilt, wie Ihr's befahlt.
GERROLD.
So tretet jetzt zu Paaren an und seht,
Ob auch nichts fehlt. Wo ist der Pavian?
Gib Acht, mein Freund, daß du mit deinem Schwanz
Die Damen nicht beleidigst und recht männlich-
Verwegen deine Purzelbäume schlägst!
Und wenn du brüllst, so brülle ja recht fein!
PAVIAN.
Verlaßt Euch nur auf mich!
GERROLD.
Quousque tandem?
Hier fehlt ja noch ein Mädchen!
VIERTER BAUER.
Sapperment,
Nu pfeif' dir was! Im Feuer liegt der Speck.
GERROLD.
Wir haben einen Ziegelstein gewaschen,
Wie wir Gelehrte sagen, waren fatui
Und plagten uns umsonst!
ZWEITER BAUER.
Ei, diese Vettel!
Cäcilia, der Näht'rin Tochter, die!
So fest versprach sie, pünktlich hier zu sein.
Nu, warte nur, – aus Hundeleder sollen
Die nächsten Handschuh sein, die du von mir
Bekommen wirst. Ihr könnt's dem Arcas sagen,
Zu kommen schwur sie mir bei Brot und Wein!
GERROLD.
Ein Frauenzimmer und ein Al, so sagt
Der Dichter, wollen bei dem Schwanz
Und mit den Zähnen fest gefaßt sein, wenn
Sie nicht entschlüpfen sollen. Pfui doch, pfui!
ERSTER BAUER.
Das Fieber über sie, da sitzen wir!
DRITTER BAUER.
Was fangen wir nun an?[57]
GERROLD.
Jetzt ist es aus,
All unsre Müh' ist eine Nullität,
'ne traurig jammervolle Nullität!
VIERTER BAUER.
Wo's um die Ehre unsres Dorfs sich handelt,
So pflichtvergessen sein, 's ist unverzeihlich!
Sie soll mir kommen, das gedenk' ich ihr!
(Die Tochter des Kerkermeisters tritt auf und singt.)
TOCHTER.
Ho ho, von Süden Jung Jürge kam,
Von der Küste der Barbarei,
Brave Gesellen er zu sich nahm,
Einen und zwei und drei.
Willkommen, willkommen ihr Bursche fein,
Wo geht eure Reise hin?
Nun lasset mich euer Gefährte sein,
Bis ich zur Stelle bin.
Drei Narren erhuben ein groß' Geheul:
Der eine sagte, er wär' 'ne Eul',
Der zweite thät sich's verbitten,
Der dritte sagte, er wär' ein Falk,
Sie hätten ihm aber, meinte der Schalk,
Die Glocken abgeschnitten.
DRITTER BAUER.
Seht, Meister, seht, da kommt uns eine prächt'ge
Verrückte in den Wurf, die ist so toll
Wie ein Märzhase. Kriegen wir sie rum,
Daß sie mittanzt, so sind wir aus der Noth.
Die macht gewiß ganz wundervolle Sprünge!
GERROLD.
Sag', Liebchen, bist du toll?
TOCHTER.
's wär' traurig sonst!
Reich' mir die Hand.
GERROLD.
Wozu?
TOCHTER.
Will dir wahrsagen.
Du bist ein Narr. Zähl' zehn! Da siehst du. Bums!
Iß nur kein Weißrot, denn sonst werden dir
Die Zähnebluten. Wollen wir eins tanzen?
Ich weiß, du bist ein Kesselflicker. Flicke
Nur nicht mehr Löcher, als du sollst![58]
GERROLD.
O, dii,
Ein Kesselflicker, ich!
TOCHTER.
Oder ein Zaubrer.
Beschwör' mir einen Teufel, der qui passa
Auf Glocken und auf Todtenknochen spielt.
GERROLD.
Schafft sie beiseit' und bringt zur Ruh' sie. Atque
Opus exegi, quod nec Jovis ira
Nec ignis – aber fort, nur fort!
ZWEITER BAUER.
Kommt, Mädchens!
TOCHTER.
Ich will euch führen.
GERROLD.
Seid nur ja recht freundlich
Mit ihr und macht's geschickt.
(Hörnerklänge.)
Verschwindet, schnell!
(Alle ab außer Gerrold.)
Ich höre Hörner. Laßt mir etwas Zeit
Zum Ueberlegen und versäumt nur nicht
Das Stichwort. – Jetzt, Minerva, steh' mir bei!
(Theseus, Pirithous, Hippolyta, Emilia, Arcites und Gefolge treten auf.)
THESEUS.
Nach dieser Richtung floh der Hirsch!
GERROLD.
Hier Halt!
Und lasse dich erbau'n!
THESEUS.
Was gibt es hier?
PIRITHOUS.
Ein ländlich Spiel, so wahr ich lebe, Herr!
THESEUS.
Nun wohl, so woll'n wir uns erbauen lassen.
Ihr Damen setzt euch. Hier gilt's auszuhalten.
Fangt an!
GERROLD.
Heil unserm tapfern Herzog, Heil
Und Heil den holden Frau'n.
THESEUS.
Ein schwacher Anfang.
GERROLD.
Auf Eure Nachsicht rechnet unser Spiel.
Vom Dorfe sind wir, ungeschlachte Leute,
Die sich in diesem Wald versammelt heute;
Ein lustig Völkchen, eine bunte Schar
(Ich lüge nicht, ein jedes Wort ist wahr),
Figürlicher zu reden noch, ein Chor,
Der deiner Hoheit gern was tanzte vor.
Das Spiel von A bis Z hab' ich erdacht
Und es mit großer Müh' gebracht
Zu richt'gem Schluß,
Ich unsres Dorfs Pädagogus,[59]
Der unsern Jungen zieht die Hosen stramm
Und auch die Alten kämmt mit seinem Kamm.
Heut aber leg' ich ab mein Birkenreis
Und bitt' dich, Herr, dess' Heldenruhm und -Preis
Von Dis bis Dädalus, von Pfahl zu Säule
Die ganze Welt durchblitzt mit Blitzes Eile,
Hilf deinem wohlgeneigten Knecht
Und blinzle gnädig, schlecht und recht
Den Tänzern Beifall zu und ihren Sprüngen,
Womit wir unsre Huldigung dir bringen,
Wir haben viele Müh' darauf verwandt.
Zuerst komm' ich, so schlecht, wie ich nun bin,
Als Prologus dahergerannt
Und zeige an des Spiels Beginn.
Dann kommt Herr Mai mit seiner schönen Frau'n
Und Zof' und Diener, die im Morgengrau'n
Ein stilles Plätzchen suchen; dann mein Wirth
Mit seinem fetten Weib; – wer sich verirrt
In diesen Wald, den bittet er zu bleiben
Und läßt vom Zapfer dann die Rechnung schreiben;
Darauf der Rüpel, der das Rindfleisch frißt,
Dann der Hansnarre, der sein Schatten ist,
Und hinter diesen beiden endlich dann
Mit seinem großen Schwanz der Pavian,
Cum multis aliis. Jetzt sind sie fertig
Zum Tanz und deines Augenwinks gewärtig!
THESEUS.
Mein lieber Domine, nur zu!
PIRITHOUS.
Fangt an!
GERROLD (wirft seine Mütze in die Luft.)
Intrate filii, ihr könnt beginnen.
(Musik, ein maurischer Tanz.)
GERROLD (nachdem der Tanz beendigt).
Wenn's lustig war und euch das Spiel,
Verehrte Damen, wohlgefiel,
Und ihr's gesehen mit Behagen,
So könnt ihr immerhin nun sagen,
Daß der Schulmeister, der's erfand,
Kein gar zu großer Ignorant.
Gefiel's Euch, Herzog, aber auch
Und hieltet Ihr dabei den Bauch
Euch, während unsre Jungen[60]
Herumgehüpft sind und gesprungen,
So gebt zu einer lust'gen Maie
Uns ein Stück Geld, zwei oder dreie,
Damit wir Euch und Eure Schar
Im nächsten Jahr
Wieder zu lachen
Machen!
THESEUS.
Nimm zwanzig, Domine.
(Zu Hippolyta.)
Mein trautes Herz,
Hat dir's gefallen?
HIPPOLYTA.
Ueber alle maßen!
EMILIA.
Der Tanz war prächtig, und was den Prolog
Erst anbetrifft, so hört' ich nie was Bess'res.
THESEUS.
Ich danke dir, Schulmeister. Seht, daß jeder
Von ihnen reich beschenkt wird!
PIRITHOUS.
Auch von mir
Ist hier etwas, die Maie aufzuputzen.
THESEUS.
Und nun an unser Weidwerk wieder, Freunde!
(Hörnerblasen. Theseus, Pirithous, Hippolyta, Emilia, Arcites und Gefolge ab.)
GERROLD.
Daß sich der Hirsch zum Schusse Euch stell',
Daß die Hunde ihm folgen stark und schnell,
Ihn nicht zerfleischen, wenn er verreckt,
Und den Damen der Braten schmeckt!
Nun laßt uns gehn, dii deaeque omnes,
Ihr Wettermädels habt famos getanzt!
(Alle ab.)
Ausgewählte Ausgaben von
Die beiden edlen Vettern
|
Buchempfehlung
Jean Pauls - in der ihm eigenen Metaphorik verfasste - Poetologie widmet sich unter anderem seinen zwei Kernthemen, dem literarischen Humor und der Romantheorie. Der Autor betont den propädeutischen Charakter seines Textes, in dem er schreibt: »Wollte ich denn in der Vorschule etwas anderes sein als ein ästhetischer Vorschulmeister, welcher die Kunstjünger leidlich einübt und schulet für die eigentlichen Geschmacklehrer selber?«
418 Seiten, 19.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro