[46] (Athen; vor dem Gefängniß.)
Die Tochter des Gefängnißwärters tritt auf.
TOCHTER.
Nun laß den Herzog, laß die Teufel toben,
In Freiheit ist er, – ja ich hab's gewagt!
Ich habe nach dem Wäldchen ihn gewiesen,
Nicht fern von hier, da, wo die hohe Ceder[46]
Am Bache steht, die Zweige weit ausbreitend,
Dort soll er bleiben, bis ich Feilen ihm
Und Speise hingebracht, denn von den Fesseln
Ist er noch nicht befreit.
Was bist du doch,
O Liebe, für ein wagehalsig Ding!
Mein Vater hätte eh'r dem kalten Eisen
Ins Angesicht geschaut, als das gethan!
Ich aber lieb' ihn, brünstig, ohne maßen,
Zum Wahnsinn, und ich hab's ihm auch gesagt.
Es ist mir alles gleich, ich bin verzweifelt!
Wenn das Gesetz mich faßt und mich verdammt,
So werden mitleidherz'ge Jungfrau'n mir
Ein Grablied singen und im Tode noch
Als Märtyrin mich preisen.
Dorthin ging er,
Das ist auch mein Weg. Sicher wird er nicht.
So schmachvoll handeln und mich sitzen lassen.
Wenn er das thäte, würde nie ein Mädchen
Den Männern mehr vertrau'n! – Und doch – er hat
Für das, was ich gethan, mir nicht gedankt,
Mich nicht einmal geküßt. Das war nicht recht!
Kaum daß ich ihn zur Flucht bewegen konnte;
Er fürchtete für mich und meinen Vater
Die schlimmsten Folgen. – Aber mit der Zeit,
So hoff' ich, wird er mich ja doch noch lieben.
Wenn er nur sanft und freundlich mit mir ist,
So ist's schon gut, dann thu' er, was er will.
Doch ist er das nicht, sag' ich ins Gesicht ihm,
Daß er kein guter und gerechter Mann!
Nun muß ich ein'ges noch für ihn besorgen
Und meine Kleider packen. – Wo er weilt,
Da will ich bei ihm sein, und wie sein Schatten
Ihn nicht verlassen. – Nur ein Stündchen noch,
So schallt der Wache Nachtruf durchs Gefängniß,
Dann küss' ich den, den ihr zu hüten glaubt.
Leb' wohl, mein Vater! Wenn du solcher Töchter
Und solcher Staatsgefangnen viele hättest,
Du würdest bald allein sein. Jetzt zu ihm!
(Ab.)
(Der Vorhang fällt.)[47]
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Die beiden edlen Vettern
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